Herzmündchenkirschen

■ „Susi Pop“: Modetheater der Bremer Hochschule für Künste im Himmelsaal des Scandic Crown Hotels

Schwül ist es da oben im siebten Stock des „Scandic Crown“- Hotels, wo sich die parfümierten Damen der Bremer Hai Soßaietie in vornehmer Contenance Lüftlein um Lüftlein zufächeln. Wenn Bremer sich mehr in Erdbodennähe treffen, zum Beispiel in der Schauburg, riecht's streng nach Schweißfuß, und die Manieren müffeln nach Alternativ- Wehgeh.

Hier oben aber herrscht Höflichkeit: „Dürfte ich wohl meine Jacke an Ihre Stuhllehne hängen?“, fragt eine der schönen Damen, und ich, die ich von der Schauburg oder vom Cinema nur saures Rülpsen und Knie zwischen den Schulterblättern kenne, bin sprachlos vor Entzücken. Hier oben also, in dieser wohlerzogenen Atmosphäre, wird eine Modenschau, nein: das Modetheater Susi Pop, nein: ein Projekt der Modeklasse an der Hochschule für Künste Bremen, nein: „die rosarote Karriereplanung der Susi Pop, sweet virtuell, viva rosa“ achwasweißich — auf jeden Fall: ein modisch-künstlerisch-parodistisches Vergnügen zelebriert.

Es ist nämlich leider so, daß die verbalen Erläuterungen zu Kunst- oder Mode-Kunst-Projekten sich gerne in hochbedeutsamen Unverständlichkeiten wichtig tun — doch wenn man dann sieht, was hinter dem einschüchternden Wortgeklingel konkret zum Vorschein kommt, ist man — wie bei Susi Pop — sehr angenehm überrascht von der Erkenntnis: Was Künstler sich ausdenken, ist klüger als jeder Satz, den sie darüber sagen. Und so wird auch am Defilee der Studentinnen aus der Modeklasse des Herrn Professor Istvan Ekrich ganz ohne aufgeblasene Worte evident: hier geht's um die Frau als Modepuppe, um Parodie auf Eitelkeit und Erotik, ums ewig Weibliche in seiner urkomischen Künstlichkeit.

Und eigentlich läßt sich nur schwer entscheiden, was virtuoser und komischer ist bei dieser absurden Modenschau: die grotesken Exklusiv-Modelle aus quietschbuntem Schaumstoff, aus Schnullern, Noppen, Gartenschläuchen, aus Bürsten, Plüsch und Plastik — oder die hoheitsvollen Mannequins, Studentinnen der Modeklasse, die ihre Modelle so stoisch-witzig über den Laufsteg führen, als hätten sie eine solide Ausbildung in selbstironischem Understatement absolviert.

Geradezu genial sind die künstlichen Herzmündchen, die jedes der Mannequins statt eines eigenen Mundes vor den Lippen trägt: orange, rosa, kirschrot, mit Glitzer besetzt, wird dieses steif schmollende Signum verführerischer Weiblichkeit zum Inbegriff des dümmlich Puppenhaften, zur lockenden Pose einer synthetischen Sexualität. Und wenn dann die echten nackten Hinterteile der Studentinnen zum Hineinkneifen proper unter den Mini-Teddy-Kleidchen blitzen, genügt eine leichte Drehung des Mannequins, ein Blick auf den drohend aufgeworfenen Mund — schon hat man begriffen, daß auf diesem Laufsteg spielerisch das Thema Frigidität verhandelt wird.

„Rührmichnichtan, aber schau, was ich zu bieten hätte“, heißt dieses Spiel, und Susi Pop bleibt sich in 36 Erscheinungen, in 36 Charakteren gleich: ob als Hausfrau, als Vamp im Abendkleid, als naturverbundenes Mädchen mit künstlicher Wiese an den Schuhen, als Dame mit riesenhaft ausgestopftem Hintern — immer ist Susi Pop nur ein erotischer Entwurf, ein Kommentar zur Weiblichkeit, nie die lebendige Erotik selbst. Und wenn sich, wie im Himmelsaal, eine so souveräne Ironie mit so viel künstlerischer Phantasie zusammentut, ersetzt das manche trockene, unparfümierte Analyse über den Warencharakter der weiblichen Sexualität. Sybille Simon-Zülch