"Hamburg soll für unsere Sicherheit zahlen"

■ St. Georg: Stadtteil-Bündnis bereitet sich auf rassistische Anschläge vor / Geschäfte und Wohnungen mit Folie sichern

vor / Geschäfte und Wohnungen mit Folien sichern

„Jeden Abend steh' ich allein da und kämpfe gegen Rassismus. Und von diesen ganzen Heteros steht mir keiner bei!“ Der Wutausbruch eines Schwulen bildete am Donnerstag abend den Höhepunkt einer Veranstaltung, bei der St. Georger Bürger, deutsche und nicht-deutsche, zusammengekommen waren, um über die Konsequenzen von Solingen zu beraten. „Es gibt eine rechtsgerichtete Schwulen-Szene in St. Georg“, sagte er weiter. „Es gibt hier schwule Neonazis. Das größte Problem geht von ihnen aus.“

Diese Woche war's ein Restaurant in Schnelsen. Drei Tage davor ein Wohnhaus in Bad Oldesloe. „Was tun, wenn es in St. Georg brennt?“ fragte die Ausländerinitiative St. Georg und lud zur Diskussion in die Lange Reihe. Der Pastor war gekommen, der Chef von der Polizeiwache Kirchenallee, Ärzte, Lehrer, Peggy Parnass und viele andere bekannte Gesichter aus dem kleinen Stadtteil am Hauptbahnhof. Dort existieren viele Szenen nebeneinander und man kam nicht zum ersten Mal zusammen, um über Probleme zu reden (Drogen, Freier, zu viele Autos).

Es galt, schnelle und konkrete Maßnahmen zu besprechen. Der Abend war gut vorbereitet. Ein Sprecher der Ausländerinitiative trug zu Beginn gleich eine lange Liste vor: jedes Geschäft soll ein Plakat aufhängen „Menschen aller Nationalitäten erwünscht“. Republikaner und DVU sollen im Viertel keine Räume für Wahlkampfveranstaltungen bekommen, Lokalpolitiker in die Pflicht genommen werden, was sie denn konkret für die Menschen tun. Die doppelte Staatsbürgerschaft schade nichts, nütze aber auch nichts. „Die Nazis fragen nicht, was für einen Paß wir in der Tasche haben“. Allerdings brauche man Mitbestimmungsrechte, kommunales Wahlrecht, die paritätische Besetzung aller Stadtteil- Gremien. Es ist schon absurd, wenn die Mehrheit eines Viertels (Ausländeranteil 58 %) praktisch nichts zu sagen hat.

Das vorerst wichtigste: Geschäfte und Wohnhäuser müssen vor Brandanschlägen geschützt werden. Man hat sich bei der Kripo informiert. Es gibt brandsichere Scheiben und Folien, aber die kosten pro Quadratmeter 200 Mark. „Die Stadt muß dafür Zuschüsse zur Verfügung stellen.“ Darauf ein Mädchen: „Dann sagen die wieder, die Ausländer wollen nur unser Geld.“ Darauf Peggy Parnass: „Es ist billiger, die Häuser zu schützen, als sie später wieder aufzubauen“.

In St. Georg, darin waren sich alle einig, funktioniert das Zusammenleben von Deutschen und Nicht-Deutschen. Trotzdem gibt es auch hier schlimmen Rassismus. Dunkelhäutige Menschen werden durch den Hauptbahnhof gejagt, Frauen auf der Straße verfolgt und

1angepinkelt. Ausländerinnen kündigen ihren Job als Putzfrau aus Angst, weil die Arbeitszeiten so spät abends liegen.

„Die Polizei in St. Georg ist auch ein Freund der Ausländer“, versicherte Günter Ebel von der Revierwache 11. „Wenn Sie rassistische Übergriffe feststellen, kommen Sie zu uns.“ Darauf ein Zuhörer: „Die Polizei hat noch nie einen Brandanschlag verhindert.“ Trotz-

1dem war man bereit, einen Kripo- Berater auf Veranstaltungen zu laden. Auch Kurse bei der Feuerwehr in Brandbekämpfung sollen organisiert werden. Jedes Haus braucht einen Feuerlöscher. Und eine Telefonkette muß her.

Der Abend endete, wie er geplant war: Mit der Gründung eines „Internationalen Bündnis gegen Rassismus in St. Georg“. Ein Gremium, das ab sofort eine Anlauf-

1stelle für Informationen über rassistische Übergriffe sein soll, das aber auch Gewicht haben und gehört werden soll bei allen anderen Entscheidungen im Stadtteil.

„Ich gehe mit Dir in diese Kneipen“, versprach ein türkischer Lehrer dem schwulen Mann am Ende der Veranstaltung. Mit den rechten Schwulen reden? Der Szene-Kenner schüttelt den Kopf: Eine Mahnwache davor wäre besser. kaj