■ Gastkommentar: Die Zeit der Forderungen ist vorbei
: Nur Steuerboykott hilft!

Ich habe gelernt, an diesen Staat keine Forderungen mehr zu stellen. Diese lange und bittere Erfahrung führt bei mir manchmal zu Resignation, manchmal zu Wut. Schon immer hat dieser Staat seine rassistische Politik durchgesetzt. Auch wenn Angehörige ethnischer Minderheiten wieder mal verbrannt oder erschlagen werden, ändert sich daran nichts.

Ich kann mich erinnern, wie wir vom „Ausländerkomitee“ bereits vor mehreren Jahren vor den Wahllokalen in der Kälte mit unseren Plakaten das kommunale Wahlrecht forderten, und von Herrn v. Weizsäcker weder ein Zeichen der Solidarität noch eine Geste des Verständnisses zu erwarten hatten. Bereits vor über zehn Jahren haben wir Gleichberechtigung und doppelte Staatsangehörigkeit gefordert. Nein, sogar heute, nach Rostock, Mölln und Solingen wird es keinen noch so kleinen Schritt in Richtung einer „Versöhnungspolitik“ geben. Im Gegenteil: Die Forderung nach doppelter Staatsbürgerschaft wird nun – nach über zehn Jahren – abgetan mit der Erklärung, es könne nichts „übers Knie gebrochen“ werden; sie bedeute, Wasser auf die Mühlen der Rechten zu gießen.

Wenn es diesem Staat ernst damit wäre, den Neofaschisten Einhalt zu gebieten und eine multikulturelle Gesellschaft aufzubauen, gäbe es viele Möglichkeiten für konkretes Handeln, z.B. die Einführung zweisprachiger Erziehung in Kitas und Schulen, oder Rassismusworkshops für Lehrer, Erzieher, Politiker, oder die sofortige und unbefristete Einführung doppelter Staatsbürgerschaften. Doch Regierende und der größte Teil der Medien verdrehen sogar die Probleme, welche mit und durch den Rechtsradikalismus entstehen. Diskussionen über Fremdenhaß und ihre Ursachen enden regelmäßig mit der Klage über den mangelnden Integrationswillen der türkischen Bevölkerung – Kopftuchsyndrom – und das Nichtannehmen der deutschen Staatsangehörigkeit. Fazit: Die Türken sind selbst schuld an ihrer Ausgrenzung.

Wir haben diese rassistische Politik endgültig satt. Dieser Staat führt Krieg nach innen und außen. Durch Rüstungsexporte in den Irak, die Türkei, das ehemalige Jugoslawien und durch „humanitäre“ Kampfeinsätze der Blauhelme wird die „Flüchtlingsflut“ der kommenden Jahre produziert. Es werden wieder hilfsbedürftige Menschen kommen, die in Deutschland mit Fremdenhaß, Ausgrenzung und rassistischen Anschlägen zu rechnen haben. Mit Hilfe unser aller Steuergelder finanzieren wir diese Politik! Es gibt nur ein Mittel, Druck auszuüben: wirtschaftlicher Druck, z.B. in Form eines Steuerboykotts. Sevim Çelebi

Vorstandsmitglied des Vereins Akarsu (fließendes Wasser), ImmigrantInnen Verein Gesundheit und Bildung; Mitbegründerin der „Friedenssteuerinitiative Berlin“