Kein Asyl trotz Folterspuren

■ Asylbewerber ohne Anerkennung sucht medizinische Hilfe in Berlin / Bürokratie behindert Verlegung aus Sachsen

Für politisch Verfolgte gibt es bisweilen einen besonders traurigen Anlaß, nach Berlin zu kommen. In den Räumen des Klinikums Westend arbeitet seit dem letzten Jahr das Behandlungszentrum für Folteropfer. Mit einem integrativen Zugang wird hier den Opfern bei der Wiederherstellung ihrer Gesundheit geholfen. Die meisten der momentan 50 ambulant behandelten PatientInnen kommen aus dem Nahen Osten.

Einer von ihnen ist der 28jährige Iraner S., der vor anderthalb Jahren nach Deutschland floh. Er wird wegen physischer und psychischer Störungen behandelt, die nach Feststellung der behandelnden Ärzte auf Einwirkung von Folter zurückzuführen sind. Trotzdem hat das Verwaltungsgericht Chemnitz den Asylantrag des Iraners abgelehnt.

In seinem Heimatland war S. für verschiedene politische Gruppen aktiv, die er zum gemeinsamen Kampf gegen das iranische Regime bewegen wollte. Daß er damit nicht einer bestimmten Partei zuzuordnen ist, hat nun wohl seine Glaubwürdigkeit gegenüber dem Gericht geschwächt. Ebenso als negatives Indiz dürfte nach Angaben seiner deutschen Verwandten Kerstin W. gewertet worden sein, daß S. das Todesdatum seiner Mutter zweimal unterschiedlich angegeben hatte. Sie wurde erschossen, als sie den Sohn bei einer Hausdurchsuchung zu schützen versuchte. Neben den psychischen Problemen, die nach dem Haftaufenthalt im Iran auftraten, könnten auch die Ausdrucksschwierigkeiten von S. ein Grund für Mißverständnisse sein. Seine Muttersprache Aserbaidschanisch liegt ihm umgangssprachlich noch immer näher als Persisch, das er in der Schule gelernt hat. Vor allem in Streß-Situationen kommt er mit der Amtssprache ins Schwimmen.

Gleich am Tag nach seiner Flucht nach Deutschland hat S. einen Asylantrag gestellt und wurde einer sächsischen Aufnahmestelle zugewiesen. Schon wegen der Berliner Verwandten, vor allem aber, um sich in dem Spezialkrankenhaus behandeln zu lassen, stellte er einen Umverteilungsantrag nach Berlin, über den bisher jedoch vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge noch nicht entschieden wurde. Daher hält er sich nur besuchsweise in Berlin auf, Fahrt und Unterbringung müssen privat bezahlt werden. „Wir würden es ihm niemals vorwerfen“, sagt Kerstin W., „er ist bei uns sicher besser aufgehoben als in einem Heim mit Leuten aus acht verschiedenen Nationen.“

Als am 4. Mai der Asylantrag vom Verwaltungsgericht abgelehnt wurde, verschlechterte sich der psychische Zustand von S. gravierend, er versuchte sogar, sich das Leben zu nehmen. Auch heute noch ist er nach Angaben von Kerstin W. „äußerst depressiv und denkt, er fiele uns zur Last“.

Der Prozeß wird nun wohl in die zweite Runde gehen. S. und seine Angehörigen hoffen, daß sich die Chancen für seine Anerkennung nicht durch das Inkrafttreten des „Asylkompromisses“ noch verschlechtern. Matthias Fink