Nach der Hamburger Krawall-Nacht

■ Heftige Kritik von Demo-Veranstaltern an der Polizei: Ausschreitungen wurden durch "Eskalationsstrategie" provoziert

Massive Vorwürfe gegen Hamburgs Polizei: Die Organisatoren der Antirassismus-Demo vom Mittwoch werfen der Staatsgewalt vor, durch eine „Eskalationsstrategie“ die schwere Randale im Schanzenviertel und St. Pauli ausgelöst zu haben. Sprecher Mülayim Hüseyin: „Aufgrund der Unsensibilität und des Fehlverhaltens der Polizei ist das alles provoziert worden.“ Die Organisatoren erwägen, die Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes vom Verwaltungsgericht feststellen zu lassen.

Wie berichtet, waren am Mittwoch nach einer friedlichen Kundgebung auf dem Rathausmarkt 5000 Menschen zur Ausländerbehörde gezogen. Dort waren die Polizeiketten mit Steinen beworfen worden. Nach Auffassung der Organisatoren habe es sich bei den Steinewerfern um eine Gruppe deutscher und türkischer Kids im Alter von 12 bis 14 Jahren gehandelt, die sich durch die Polizei provoziert gefühlt haben. Bündnis-Mitglied Mahmut Erdem: „Wir haben es nach kurzer Zeit geschafft, daß die Demo wieder geordnet ablief.“

Daher sei es völlig unverständlich gewesen, warum die Polizei im weiteren Verlauf immer wieder ein Spalier aufgebaut habe. Erdem: „Wir haben die Polizei immer wieder gebeten wegzugehen. Denn das provoziert Jugendliche. Viele sagen: Wo seid ihr denn bei den Morden von Solingen gewesen? Jetzt zeigt ihr eure Macht.“ Nach Angaben von Polizeiführern sei das Spalier vor allem deshalb errichtet worden, um die Demonstration vor Angriffen von den rechtsgerichteten Grauen Wölfen zu schützen, die die Demo mit Steinen bewerfen wollten. Hüseyin: „Völliger Quatsch!“

Unverständnis auch über die Polizeikessel am Gorch-Fock Wall und die Sperrung an der Rentzelstraße, wodurch es zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstranten gekommen war und es 30 Verletzte gegeben hatte. Als absolut „rechtswidrig“ wertete Rechtsanwalt Martin Kind das Vorgehen der Polizei am Neuen Perdemarkt: Polizeiketten hatten der Demo den Marsch zum Türkischen Volkshaus verwehrt. Hüseyin: „Es war von Anfang an klar, daß wir zum Volkshaus wollten.“

Weil es sich angeblich um eine Verkehrsblockade gehandelt habe, stürmte nach einiger Zeit die Polizei den Neuen Pferdemarkt mit Wasserwerfern und Schlagstöcken. Dabei wurde auch der Lautsprecherwagen von Polizisten gekapert und demoliert sowie die Lautsprecheranlage zerstört. Hüseyin: „Damit ist uns bewußt das Kommunikationsmittel genommen worden, wir konnten nicht mehr auf die Demonstranten einwirken.“

In der Folge war es dann im Schanzenviertel zu mehrstündigen Straßenschlachten gekommen, bei denen Polizisten auch hemmungslos auf Kinder einschlugen. Bis in die späten Abendstunden standen sich Polizisten und Demonstranten gegenüber, brannten Barrikaden, tobten Beamte durchs Viertel. Bilanz: 48 Festnahmen. Erst als die Polizei abrückte, kehrte wieder Ruhe ein.

Innensenator Werner Hackmann warf den Demonstranten vor, selbst den Fremdenhaß zu schüren: „Zerstörte Scheiben, beschädigte Autos und Steinwürfe auf Polizeibeamte tragen nicht zum Verständnis und zur Toleranz bei. Sie können neue Gräben schaffen.“ Dagegen macht auch die Schülerkammer die Polizei für die Eskalation verantwortlich: „Die Polizei hat nicht nur durch ihre gewaltige Präsenz provoziert, sondern keinesfalls zur Deeskalierung beigetragen.“ Kai von Appen