Auf der Suche nach den Herrschenden

■ Volksuni zog zu Pfingsten mit dem Motto „Daß es so weitergeht, ist die Katastrophe“ 1.700 ZuhörerInnen in die Humboldt-Uni / Schwerpunkt Rassismus

Zum 14. Mal hat am Pfingstwochenende die Berliner Volksuniversität stattgefunden. Über 1.700 BesucherInnen fanden sich zu den rund 80 Veranstaltungen in der Humboldt-Uni ein. „Daß es so weitergeht, ist die Katastrophe“, hatten die VeranstalterInnen die Situation der Gesellschaft beschrieben und als Schwerpunktthema Rassismus festgelegt. „Die 30 Veranstaltungen zu diesem Thema waren außerordentlich voll“, teilte Volksuni-Geschäftsführer Thomas Faust mit. Hier sei auch der erfreuliche Zuwachs von jüngeren und ostdeutschen TeilnehmerInnen am stärksten ausgeprägt gewesen. Die Nachricht von den Morden in Solingen habe gerade hier die Stimmung gedrückt und die Diskussionen geprägt. Daneben nahmen die Bereiche Internationalismus, Frauen und Soziales größeren Raum ein.

Mit an der Tafel angeschriebenen Zahlen verdeutlichte Regine Hildebrandt, Arbeits- und Sozialministerin von Brandenburg (SPD), die Dimension der Arbeitslosigkeit in der ehemaligen DDR. Welche Schicksale sich dahinter verbergen, beschrieb sie in ihrer Veranstaltung mit lebensnahen Beispielen. Manchmal bleibt auch die „notorische Optimistin“ (Selbsteinschätzung) nur noch hilflos: „Ich bin doch dafür zuständig! Es ist zum Verzweifeln!“ Ein Lichtblick sind für sie die erfolgreichen Beschäftigungsprogramme in brandenburgischen Gemeinden, von denen sie berichtet.

Trotz der großen Sympathien, die die „Mutter Courage des Ostens“ in dem gut besetzten Hörsaal genießt, mag sie nicht auf stimmungmachende Polarisierungen verzichten wie die, daß die ostdeutschen Gemeinden aus Humanität, die westdeutschen aus Sparsamkeit versuchten, die Zahl der Sozialhilfebedürftigen zu begrenzen. Das Publikum applaudierte. In der Diskussion, in der die Ministerin immer wieder Anregungen für ihre Arbeit im Notizblock aufnahm, dominierten jedoch die Gäste von drüben, wo auch, wie sich die Moderatorin empörte, das bereitgestellte Mineralwasser produziert wird.

Die Frage, wo das Geld für eine bessere Sozialpolitik hergenommen werden soll, stand auch im Mittelpunkt einer Diskussion, zu der sich Renate Schmidt (SPD), Christine Ostrowski (PDS), Horst Schmitthenner (IG Metall) und Hans-Jürgen Schütt (Arbeitslosenverband) zusammenfanden. Als die bayerische Oppositionsführerin erzählte, daß 1982 viele BürgerInnen nur geringes Interesse an Protesten gegen den beginnenden Sozialabbau der Kohl-Regierung zeigten, gab es heftige Reaktionen. Renate Schmidt sollte rechtfertigen, wie sie/die SPD sich das eigentlich denkt, die Massen nicht zu mobilisieren, wo das doch ihre Aufgabe sei. Die Frage blieb in der Hektik der Diskussion freilich offen.

Die alte Forderung, zugunsten der Armen bei den Reichen zu kürzen, fand Christine Ostrowski weiterhin angemessen. Horst Schmitthenner sah wegen der zu lösenden sozialen Probleme im Osten die BRD in einer zweiten Gründungsphase, stellte aber nüchtern fest, daß die Gewerkschaft bisher auch keine Antworten auf die aktuellen Fragen finden konnte. Man müsse wohl mehr für, als gegen etwas mobilisieren. Matthias Fink