Invasion der Riesen-Mülleimer

■ Im Sommer gehen Modellversuche mit den großen Behältern los

Invasion der Riesen-Mülleimer

Im Sommer gehen Modellversuche mit den großen Behältern los

Herzzerreißende Bilder flimmerten vor kurzem in die Bremer Wohnzimmer: Eine ältere Frau versuchte verzweifelt, den neuen 90 Liter-Mülleimer die Treppe hochzukriegen. Was wird die arme Frau machen, wenn die Bremer Entsorgungsbetreibe (BEB) ihr den neuen Eimer zwangsanordnen? Den kleinen Eimer trug ihr noch der Nachbar runter, aber jetzt? Und wie wird es in all den schmucken Vorgärten im Viertel aussehen? Werden große Müll- Tonnen die Häuser verschandeln? Und warum das alles?

Daß Beschwerden von BürgerInnen gekommen sind, will Reinhard Holtin von der Abfallberatung der BEB keineswegs abstreiten. „Eine Umstellung der Gewohnheiten ist immer schwierig“, weiß er zu berichten. Doch das Müllsystem müsse aus zwei Gründen umgestellt werden: zum einen zugungsten der codierten Tonne, zum anderen wegen einer EG- Richtlinie. Mit der codierten Tonne kommt die individuelle Gebührenabrechnung. Jeder bezahlt kiloweise nur noch für den Müll, der tatsächlich in der Tonne landet. Nachprüfbar ist dies durch einen Nummerncode an der eigenen Tonne.

Aber ob der Nachbar sich zum Fiesling entwickelt, und seinen Müll in des anderen Tonne steckt, das kann man heute noch nicht sagen.

Was die EG mit alldem zu tun hat? Über Müllgefäße sagt sie nichts, aber „allgemein über das Tragen von schweren Lasten“, erläutert Holtin. „Bisher werden die kleineren Gefäße hochgehoben, damit sie überhaupt in die Schüttung der Müllautos reingehängt werden können“. Etwa 80 Prozent der Müllwerker, die vorzeitig in

Auslaufende ModelleFoto: Tristan Vankann

den Ruhestand gehen, tun das wegen einem Rückenleiden.

„Nun, wir fliegen auf den Mond, und dann sind wir nicht in der Lage die kleineren Mülltonnen mit Rollen und einem Greifbügel auszurüsten“, fragte kürzlich ein Großtonnen-Gegner entrüstet. Dies sei aus finanziellen Gründen nicht möglich, meinte Holtin, „es gibt keine Schüttungen auf dem Markt, die die kleinen Gefäße heben können.“ Die künftigen Müll-Eimer sind in den Versionen 60/90/120/240 Liter zu haben. Alle Tonnen-Versionen haben die gleiche Höhe wie die 120 Liter-Fassung, sind also etwa einen Meter hoch. Das kleinere Fassungsvermögen wird durch einen hochgezogenen Boden erreicht. Auch die 240 Liter-Gefäße sind in der Höhe gleich, sie sind jedoch insgesamt breiter.

Wer wenig Müll macht, soll belohnt werden — so heißt die Devise der BEB. Ein Ein-Personen- Haushalt könne sich auf 48,-Mark Müllgebühren jährlich reduzieren, wenn er nur alle 4 Wochen den Eimer rausstelle, klärt Holtin auf.

Gebührentechnisch wird nach dem Verfahren der späteren Rückzahlung gearbeitet. Rechenbeispiel: Der 60 Liter-Eimer kostet grundsätzlich pro Jahr 192,-Mark. Wird er alle zwei Wochen rausgestellt, kostet er nur 90,-Mark. Also bekommt der Müll-Eimer-Haushalt 102 Mark zurück.

Das Argument mit den stinkenden Fisch, der vier Wochen in der Tonne faulen würde, ist auch aus dem Weg geräumt: Parallel zur normalen Restmüll-Tonne gibt es kostenlos eine Bio-Tonne, die wöchentlich abgeholt werden soll. Und die kommt dann nicht zum Müffeln.

Modellhaft soll das System in Horn-Lehe, Rhiensberg, Findorff und Osterfeuerberg für insgesamt 50.000 EinwohnerInnen im Sommer losgehen. Der Modellversuch wird ab Oktober Gebührenwirksam erprobt. Geplant ist es die ganze Stadt in einem Affenzahn bis Ende 1994 anzuschließen. „Wir sind guter Hoffnung, daß die Leute sich daran gewöhnen werden“, sagt Holtin. Vivianne Agena