"Nur für ein halbes Jahr..."

■ 156 vertriebene Bosnier wohnen seit August in einem Camp in Poppenbüttel

in Poppenbüttel

Wohnwagentristesse auf dem Asphaltparkplatz hinter dem Poppenbüttler Markt: 54 Campinganhänger stehen in Reih und Glied. Kein Mensch zu sehen.

Doch in diesem Camp leben seit zehn Monaten 156 bosnische Flüchtlinge. Die jüngste Bewohnerin ist ein halbes Jahr alt: Die kleine Mebrura Malkic wurde hier im Oktober geboren. Ihre Mutter Nermina Malkic kam mit der Schwiegermutter Selena und deren drei Kinder im August nach Hamburg. „Für ein halbes Jahr, so dachten wir damals“, sagt sie. Nun sind sie immer noch hier.

So wie ihr ergeht es allen Flüchtlingen. Die befreundete Sabiha Salkawovic, die zwei ihrer erwachsenen Kinder im Kriegsgebiet zurückließ, meint: „Wir wissen nicht, was aus uns wird oder wie lange das noch andauern soll.“ Die Frauen versuchen sich einzurichten.

An diesem warmen Tag sitzen sie auf einer langen Bank im Freien. Während der Essenszeiten treffen sie sich vor dem Küchenhaus; in dem kahlen, weißgetünchten Raum stehen die einzigen brauchbaren Kochgelegenheiten für alle Campbewohner: fünf Elektroherde wurden dort im Januar installiert.

Gekocht wird der Reihe nach, zum Geschirrspülen, Gemüse putzen oder Hände waschen müssen die Frauen jedoch nach wie vor quer durchs Camp zum Waschhaus gehen: Einen Wasseranschluß gibt es in der Küche nicht. „Im Winter waren viele wegen der Wege zu den Duschen und Toiletten erkältet“, sagt Dolmetscher Esad Sisic.

Sabiha Salkawovic und Selena Malkic beschweren sich nicht. Der in Hamburg aufgewachsene 20jährige Alexander Tadin dolmetscht für die Frauen: „Sie verstehen wegen der Sprachkurse ganz gut, aber sie haben noch nicht den Mut, Deutsch zu sprechen.“ Selbstbewußt und locker wirkt der junge Mann neben den zurückhaltenden älteren Flüchtlingen: „Meist brauchen mich die Menschen bei Arztbesuchen. Über die Heimat und ihre Sorgen sprechen sie wenig.“

„Bunte Hilfe“ bietet Esad Sisic an, bei alltäglichen Problemen mit Behörden und Arbeitgebern. Die bosnischen Flüchtlinge haben alle eine meist auf sechs Monate befristete Duldung oder eine Aufenthaltsbefugnis. Beide Nachweise berechtigen die Flüchtlinge zu arbeiten. Der Nachteil: „Wenn die Leute eine Arbeit finden, muß erstmal das Arbeitsamt prüfen, ob nicht ein Deutscher für den Job in Frage kommt“, sagt Sisic. Wegen der Bürokratie gebe es kaum Chancen für einen Acht-Stunden-Job. So bleiben die schlecht bezahlten Putzjobs für zwei Stunden am Tag. Die übernehmen, so Sisic, fast immer nur die Frauen: „Aus dem Camp arbeiten alle jüngeren Frauen.“

Sisic versucht, auch die Männer zu aktivieren. Doch selten gelingt ihm das: „Ich schlage ihnen vor, sich zu bewegen. Aber einige sitzen im Aufenthaltsraum herum und haben trübe Gedanken.“

Da haben es die knapp 50 Kinder und Jugendliche des Camps schon besser. Für alle haben die Betreuer einen Kindergarten- oder Schulklassenplatz organisiert. Sie sind auch leichter zu bewegen, in den Ferien oder am Wochenende Ausflüge zu unternehmen. „Die Leute müssen auch mal raus aus dem Camp. Die werden verrückt, wenn sie nur Wohnwagen sehen“, sagt Alexander Tadin. Katrin Wienefeld