Ausmisten

■ Die Pankower Literaturwerkstatt zeigt einen Film über den Heym-Prozeß

1979 wurde in der DDR der Schriftsteller Stefan Heym vor Gericht geladen und zu neuntausend Mark Geldstrafe vergattert: Getarnt als Prozeß gegen „Devisenvergehen“, war das die Antwort des Staates auf seinen im Westen erschienenen Roman „Collin“. Mehrere Autoren schrieben einen Brief an Honecker, um auf die verschärfte kulturpolitische Situation aufmerksam zu machen: Logischerweise mußte auch an ihnen ein Exempel statuiert werden; Repressionsschrauben mit unendlichen Umdrehungen.

Beim Ausmisten der Archive des DDR-Schriftstellerverbandes entdeckte nach der Wende der Schriftsteller Joachim Walter die entsprechenden Tonbandprotokolle, und auch die Anweisungen und Pläne der Stasi tauchten auf. Nach diesem Material schrieb er das Buch zu der szenischen Dokumentation „Die Amputation“, die unter der Regie von Konrad Hermann vom Bayerischen Rundfunk produziert wurde. Sie war Dienstag abend zum ersten Mal in der Pankower Literaturwerkstatt zu sehen und lieferte nochmals einen Anschauungsunterricht über die wie geschmiert laufenden Querverbindungen zwischen SED, Kultur- und Staatssicherheitsministerium und dem Schrifststellerverband unter seinem willfährigen Präsidenten Hermann Kant. Man braucht sich über die vierzig Jahre zu spät untergegangene DDR keineswegs empört zu ereifern: Zitieren genügt, das ist entlarvend genug.

Die Schauspieler dieser Dokumentation sprechen die originalen Tonbandtexte nach und lassen die inquisitorische Atmosphäre des Ausschlußverfahrens im Roten Rathaus nochmals lebendig werden. Da sind die polternden Worte des Berliner Verbandschefs Günter Görlich (IM „Student Hermann Wegner“), die zynischen Einlassungen Kants (IM „Martin“), die opportunistischen Verrenkungen anderer Autoren, die man herangekarrt hat, um dem Verfahren einen demokratischen Anstrich zu verpassen: Alles sollte in „freier Abstimmung“ passieren; im Ernstfall hätten die anwesenden Stasi-Mitarbeiter für die entsprechenden Stimmenverhältnisse gesorgt. Eine in den Film eingebaute Person übernimmt die Rolle des Kommentators, der Zusammenhänge erklärt, aus Akten zitiert und Hintergründe offenlegt – leider etwas zu sehr im Ton volkspädagogischer Belehrung und bemühter Ironie, die man sich hätte sparen können.

Beeindruckend Heyms offensive Verteidigungsrede, Irritationen hinterlassend angesichts der aktuellen Statements dieses Autors, die eine seltsame Rückwärtsentwicklung darstellen. Was damals eindeutig war, ist es aber auch noch heute: Joachim Seyppel, Klaus Schlesinger, Kurt Bartsch, Rolf Schneider, Stefan Heym, Adolf Endler, Klaus Poche, Karl- Heinz Jakobs und Dieter Schubert wurden damals aus dem Verband gejagt, was kein Fehler, keine Entgleisung oder Deformation, sondern genau geplante Methode war. Glücklicherweise versagt sich der Film eine „Was wäre geworden, wenn nicht“-Nostalgie. Dann wären andere dran gewesen, dann sind andere drangewesen. Die eingeblendeten Fackelzüge und angsteinflößenden „FDJ-SED“- Rufe uniformierter Jungen und Mädels zeigten noch einmal überdeutlich das wahre Gesicht dieser zweiten deutschen Diktatur. Wie gesagt: Kommentar überflüssig, Zitieren genügt. Marko Martin