Es kann nur besser werden

Die Chancen der Entwicklungsländer werden im jüngsten Weltbank-Bericht unterschiedlich beurteilt: Optimistische Prognosen für Asien und Lateinamerika, düstere Aussichten für Afrika  ■ Von Donata Riedel

Berlin (taz) – Die Entwicklungsländer hatten keinen guten Start in dieses Jahrzehnt: Das ohnehin niedrige Pro-Kopf-Einkommen ist seit 1990 weiter gesunken. Die Aussichten für den Rest der 90er Jahre beurteilen die Ökonomen der Weltbank dennoch positiv, wie sie in ihrem gestern veröffentlichten Jahresbericht „Weltwirtschaftliche Aussichten und Entwicklungsländer“ schreiben. Darin prognostizieren sie den 162 Ländern mit niedrigem (bis 635 US-Dollar im Jahr) und mittlerem (bis 7.910 Dollar) Pro-Kopf-Einkommen ein Wirtschaftswachstum von jährlichen 5,3 Prozent bei einer Zunahme des Welthandels um 5,8 Prozent.

Ihre „optimistischen Erwartungen“ begründen die Weltbank- Mitarbeiter mit den wirtschaftspolitischen Reformen in vielen Entwicklungsländern, als da sind: größere Offenheit gegenüber dem Welthandel, Schuldenabbau und Haushaltssanierung. Zugunsten der Entwicklungsländer würden sich außerdem die künftig wieder um 0,8 Prozent jährlich steigenden Rohstoffpreise und der nur noch um 0,8 Prozent gekletterte Ölpreis auswirken.

Der Wachstumsschub allerdings wird keinesfalls alle 162 Entwicklungsländer zum Boomen bringen. Von einer Zunahme des Welthandels wird vor allem der chinesische Wirtschaftsraum (bestehend aus China, Hongkong und Taiwan) und Indien profitieren. Das Wachstum dort soll den Rest Asiens mit aufwärts ziehen.

Gute Chancen hat nach dem Bericht auch Lateinamerika mit Ausnahme Brasiliens. Die Wirtschaftsreformen, besonders in Argentinien, Mexiko und Venezuela, aber auch in Chile, haben bereits in den vergangenen zwei Jahren zur Rückkehr des Fluchtkapitals und wachsendem Investitionsinteresse ausländischer Kapitalisten geführt. Der reiche Ausländer, der im armen Land eine Fabrik aufbaut, hilft nach den Erfahrungen der Weltbank-Beschäftigten einem Entwicklungsland weit mehr als die Entwicklungshilfe. Denn außer Geld bringen Investoren technisches Know-how, Management- Wissen und den Zugang zu Exportmärkten mit.

Die Kapitalflucht trifft heute vor allem die Sub-Sahara-Länder Afrikas. Dort hat das von Privatleuten außer Landes geschaffte Vermögen inzwischen einen Wert von durchschnittlich 80 Prozent des Bruttosozialprodukts erreicht. Reiche Menschen aus Gabun horten gar doppelt soviel Geld außer Landes wie dort jährlich als Bruttosozialprodukt erwirtschaftet wird. Für Afrika sehen auch andere Kennziffern tiefschwarz aus: So schrumpfte die Wirtschaftsleistung pro Kopf seit 1982 pro Jahr um 1,1 Prozent, und auch die optimistische Weltbank-Prognose erwartet ab Mitte der 90er Jahre nur ein Wachstum von 0,6 Prozent.

Die Prognose insgesamt ist allerdings extrem abhängig von der Konjunktur in den 24 industrialisierten OECD-Ländern, die drei Viertel aller Waren und Dienstleistungen der Welt erwirtschaften. Ehrlicherweise haben die Weltbank-Beschäftigten noch ein zweites Szenario entwickelt, dessen Kernpunkte eine längere Rezession in Deutschland und Japan, ein langsamerer Aufschwung in den USA und weiter wachsende Arbeitslosigkeit und Haushaltsdefizite in den übrigen Industriestaaten sind. Unter diesen Voraussetzungen würden die Volkswirtschaften der Entwicklungsländer nicht um 5,3 Prozent wachsen, sondern um 1,6 Prozent schrumpfen.

Gleichzeitig neigen die Industrieländer dazu, ihre Grenzen gegenüber Importen abzuschotten, wenn es ihnen selber nicht mehr ganz so blendend geht. Schon heute monieren die Weltbank- Mitarbeiter, daß die OECD mit Zöllen und Importbeschränkungen gegenüber den ärmeren Ländern mauert. Wenn diese heute fallen würden, könnten China, Jamaika, Pakistan, die Philippinen und Thailand ihre Exporte sofort um 40 Prozent steigern; Bangladesch, die Dominikanische Republik, Haiti, Jamaika und Sri Lanka ihre Ausfuhren gar verdoppeln.

Daß ein beschleunigtes exportorientiertes Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern die natürliche Umwelt durch erhöhte Luft- und Wasserverschmutzung sowie Rohstoffabbau enorm belasten wird, sieht man als Problem inzwischen auch in der Wirtschaftsabteilung der Weltbank. Die Rezepte dagegen sind allerdings höchst unterentwickelt. „Steigende Einkommen in Kombination mit vernünftiger Politik und vernünftigen Institutionen kann die Basis für eine umweltgerechte nachhaltige Entwicklung formen“, heißt es kryptisch in dem Bericht. Die Herausforderung für Entwicklungsländer sei, die Wahrnehmung von Umweltbelangen in ihre Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Vielleicht sollten die Industriestaaten mit ihrem 75prozentigen Anteil an der Weltwirtschaft schon mal damit anfangen.