Clubleiter zu sozialen Beratern

■ Walter Friedländer Bildungswerk qualifiziert Leiter der DDR-Jugendclubs / Westausbilder müssen lernen, "Wissen nicht einfach überzustülpen" / Gleichstallung mit Sozialarbeitern noch nicht erreicht

Den gewaltigen schwarzen Bart hat Manfred Reichel noch aus der Zeit vor der Wende. Damals war er Leiter des Jugendclubs „Jungstraße“ in Friedrichshain. Als die Treuhand den Club 1990 schloß, wurde Reichel arbeitslos — wie fast alle Jugendclubleiter in Ostdeutschland. Um weiter im sozialen Bereich arbeiten zu können, fehlte ihm nach westlichen Maßstäben die Qualifikation. „Schließlich konnte ich nicht mehr Sozialpädagogik studieren, dazu bin ich zu alt“, meint Reichel.

Die Lösung für ihn war ein Fortbildungskurs des Walter Friedländer Bildungswerks. Seit anderthalb Jahren qualifiziert die gemeinnützige Gesellschaft, die aus der Arbeiterwohlfahrt hervorgegangen ist, insgesamt vierzig arbeitslose Clubleiter, Lehrer, Freizeitheimleiter und Pädagogen aus den neuen Bundesländern zu „sozialpädagogischen Beratern“. Vier Tage pro Woche arbeiten die Teilnehmer in sozialen Einrichtungen, an einem Tag erhalten sie theoretischen Unterricht. Auf dem Stundenplan stehen politische und rechtliche Grundlagen, Umgang mit Computern und Problembereiche wie Drogen und Aids.

Ähnliche Fächer haben die vierzig arbeitslosen Erzieherinnen aus Ostdeutschland, die das Walter Friedländer Bildungswerk qualifiziert. Auch sie arbeiten vier Tage pro Woche auf ABM-Basis – in Kindergärten, Kitas oder Freizeiteinrichtungen für Kinder. Auf diese Weise erwerben sie die zweijährige Berufserfahrung, die sie für eine staatliche Anerkennung als Erzieherin benötigen. „Zwei von ihnen werden nach Abschluß der Fortbildung im Oktober auf alle Fälle übernommen“, sagt Diplom- Pädagogin Maria Kiczka-Halit, eine der Betreuerinnen der beiden Projekte.

In beiden Kursen habe es am Anfang Probleme gegeben, „eine Auseinandersetzung von West und Ost“, erzählt Frau Kiczka-Halit. Alle Dozenten kamen aus den alten Bundesländern, alle Teilnehmer aus den neuen. „Da mußte man schon gut zuhören und denen nicht einfach Wissen überstülpen.“ Aber inzwischen seien diese Anfangsschwierigkeiten überwunden. Das können die Teilnehmer bestätigen: „Ich finde den Unterricht sehr interessant“, sagt die 30jährige Hannah Jehia, früher PR-Agentin in einem DDR-Kulturhaus. Nach ihrer Fortbildung will sie am liebsten in einem Behindertenprojekt arbeiten: „Im Moment habe ich eine ABM-Stelle im Bezirksamt Prenzlauer Berg, aber da werde ich nicht übernommen.“

Die Übernahmechancen der sozialpädagogischen Berater seien generell nicht gut, gibt Maria Kiczka-Halit zu. Würde die Fortbildung als ein sogenannter „Brückenkurs“ anerkannt, in denen das Land Berlin Arbeitslose aus dem fürsorgerischen Bereich zu Sozialarbeitern weiterbildet, wären ihre Aussichten besser: Sie wären ausgebildeten Sozialarbeitern rechtlich und tariflich gleichgestellt.

Die Projektleiter beim Walter Friedländer Bildungswerk haben deshalb bei der Akademie für Gesundheit und soziale Berufe die Anerkennung als Brückenkurs beantragt, der zuständigen Einrichtung der Sozialverwaltung. Wahrscheinlich wird sie jedoch daran scheitern, daß die Teilnehmer keine „einjährige Tätigkeit im sozialarbeiterischen Bereich“ nachweisen können, weil Arbeit im Jugendclub nicht als solche zählt. Und das, obwohl der Abschluß als Jugendclubleiter durchaus als Abschluß in einem „einschlägigen Beruf“ anerkannt wird. Die Teilnehmer finden das natürlich unlogisch. „Ich finde es sowieso schon ungerecht, daß mein vierjähriges Clubwissenschafts-Studium nicht als Fachhochschulstudium gerechnet wird“, sagt Manfred Reichel. Auch Maria Kiczka-Halit glaubt, „daß sich die Leute alle von vornherein irgendwie betrogen vorkommen, weil ihre bisherige Ausbildung – und manche haben ein Studium und zwanzigjährige Berufserfahrung – so abgewertet wird.“

Manfred Reichel hat schon feste Pläne für die Zeit nach der Fortbildung. Zur Zeit arbeitet er an einem Forschungsprojekt über Clubhausgeschichte in den Archiven der FDJ und der SED, vielleicht soll einmal ein Buch daraus werden. „Ich hoffe, daß ich die Mittel dafür bekomme, das Projekt fortzusetzen“, sagt er. Und fügt hinzu: „Ich habe gelernt, wie man sich selbst einen Arbeitsplatz schafft.“ Miriam Hoffmeyer