"Man darf keine Angst haben"

■ Jerzy Federowicz als Gast bei Deutschland Jugend Gewalt / Ein Gespräch über seine Theaterarbeit mit Punks und Skins in Krakau

INTERVIEW

»Man darf keine Angst haben«

Jerzy Federowicz als Gast bei Deutschland Jugend Gewalt

Ein Gespräch über seine Theaterarbeit mit Punks und Skins in Krakau

Herr Fedorowicz, Sie haben an Ihrem Theater Teatr Ludowy in Krakau mit jugendlichen Punks und Skins „Romeo und Julia“ inszeniert. Warum?

Vor unserem Theater kam es oft zu Auseinandersetzungen zwischen diesen Gruppen. Die Skins gingen so weit, das Publikum anzugreifen. Ich habe sie daraufhin zu einem Gespräch eingeladen, in dem sie mir versprachen, die Zuschauer nicht weiter zu belästigen, und ich ihnen, auch für sie etwas zu tun. So kam ich auf die Idee, sie zusammen mit den Punks Shakespeare spielen zu lassen. Ich habe versucht, diese schwierigen Gruppen für etwas zu interessieren. Wichtig war mir dabei die Form von Therapie, die damit stattfinden konnte.

„Romeo und Julia“ stammen aus verfeindeten Familien. Sie müssen sterben, die Familien aber versöhnen sich. Was hat sich bei Ihnen zwischen den Punks und Skins ereignet?

Die Gruppen mochten sich anfangs natürlich nicht leiden. Bei Proben und Vorführungen drohten die gestellten Kämpfe gelegentlich, in wirkliche Prügelei umzukippen. Im Laufe der Zeit ist aus den beteiligten Jugendlichen aber ein Kreis von Freunden geworden. Und die Krawalle haben aufgehört.

Wie erklären Sie sich das?

Während der gemeinsamen Arbeit haben die Jugendlichen erkannt, daß es andere Werte und Weltanschauungen neben ihren eigenen gibt. Beispielsweise wurden sie auf den oft sehr schwierigen Proben immer ganz aufmerksam, wenn es um die Liebesszenen ging. Da waren die Jugendlichen mit etwas konfrontiert, was sie in ihrem Haß vorher nicht kannten: Liebe und Freundschaft über die Gruppenzugehörigkeit hinweg. Das Theaterspielen setzte bei ihnen einen Prozeß des Nachdenkens in Gang.

Ist der übliche Weg des Jugendtheaters, der ihnen oft nur die Möglichkeit des Zuschauens gibt, zu überdenken?

Natürlich würde ich mich freuen, wenn es mehr derartige Produktionen gäbe. Aber ich muß warnen: Die Herausforderung ist sehr groß. Mein Vorteil war, daß ich als Leiter des Stadttheaters recht bekannt bin und so zu den Jugendlichen und deren Eltern schnell Zugang bekam. Und man darf wirklich keine Angst haben. Insgesamt meine ich, daß das Theater nicht nur etwas gegen Jugendgewalt tun kann, sondern es auch soll. Dies ist ein Feld, auf dem es zeigen kann, was es außer der Kunst für die Gesellschaft zu leisten vermag. Aber man darf Theater auch nicht überfordern. Es ist wichtiger, daß sich Jugendarbeiter des Problems annehmen.

Romeo als Punk, Julia als Skin, Musik von The Clash – kommen jetzt mehr jüngere Zuschauer in Ihr Theater?

In Polen besteht das Theaterpublikum eh zu 90 Prozent aus Jugendlichen. Die Erwachsenen sind bei uns zu müde, um ins Theater zu gehen. Fragen: Dirk Knipphals

Sonntag, 12 Uhr, Kampnagel, Foyer 2