Müllwächter ohne Berührungsängste zur Industrie

■ Umweltorganisation „Waste Watchers“ eröffnete Regionalbüro Berlin-Brandenburg / Kampf gegen „übertriebenes“ Recycling und Ökolügen

Berlin. „Irritierend“ finden sie sich selbst, und den Erwartungen an eine Umweltorganisation entsprechen sie keineswegs. Das fängt beim Namen „Waste Watchers“ an, schließt die seriös-gesetzte Erscheinung der beiden Vertreter im Anzug mit Fliege ein und endet nicht bei den Inhalten: Der vor über einem Jahr gegründete Verein ist für Müllverbrennung und individuelle Mobilität und gegen „übertriebene“ Abfall-Vermeidungs- und Recycling-Strategien. Gestern eröffnete er sein erstes Regionalbüro in Deutschland.

Von Germendorf bei Oranienburg aus leitet eine Agrar-Ingenieurin die Kontaktstelle für Berlin-Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, die der Brandenburgischen Akademie für Abfallwirtschaft angegliedert ist. Sie soll Möglichkeiten aufzeigen, wie sich Umweltschutz realisieren läßt, ohne daß es der Wirtschaft wehtut.

Der Verein mit bundesweit 200 Mitgliedern finanziert sich bisher durch „großzügige Unterstützung von Privatiers“, langfristig möchte man sich vor allem von großen Unternehmen sponsern lassen. Das sei heute schließlich die einzige Möglichkeit, an Geld zu kommen, sagte Geschäftsführer Manfred Geisler-Hansson, und die Satzung garantiere die notwendige Unabhängigkeit. (Dabei läßt sich die „Irritation“ über das Auftreten der Waste Watchers erheblich senken, wenn man sie sich nicht als Umwelt-, sondern als Industrie-Lobbyisten vorstellt.)

Die Kritik der Müll-Wächter zielt häufig nicht auf die Wirtschaft, sondern auf Umweltgruppen und PolitikerInnen aus dem grünen Spektrum. Deren „Umweltidiologien“ (sic!) will Geisler- Hansson Fakten entgegensetzen und „positiv und mit Optimismus“ an die Themen herangehen. Zum Beispiel mit großen Buchstaben und bunten Logos auf Plakaten wie „Das beste Müllkonzept ist Asche“. Die Politik der Potsdamer Landesregierung sei falsch, erklärte Geisler-Hansson, wenn sie den Menschen suggeriere, durch Vermeidung und Verwertung bliebe so wenig Müll übrig, daß er sich einfach auf Deponien lagern ließe: Wer Anlagen zur Müllverbrennung nicht bereitstelle, verweigere die Problemlösung.

Von medienträchtigen Aktionen à la Greenpeace hält die Gruppe nichts. Über ihr „weltweites Informationsnetz“ will sie recherchieren und Poliker und Unternehmer über die Ergebnisse aufklären. Die Bürger vor Ort sollen vor unnötiger Panik geschützt und die Akzeptanz zum Beispiel von Müllverbrennungsanlagen gefördert werden, sagte der Geschäftsführer. Die Menschen dürften nicht länger durch gelbe Säcke und zu hohe Steuern irritiert werden. nig