Der Ossi-Provokateur in der Höhle des Löwen

■ Motzki-Vater Wolfgang Menge stellte sich Publikum im Bezirk Prenzlauer Berg

Prenzlauer Berg. „Motzki-Vater“ Wolfgang Menge „in der Höhle des Löwen“ war die Veranstaltung am Mittwoch abend in der überfüllten Stadtbezirksbibliothek Prenzlauer Berg etwas großspurig apostrophiert worden. Die Löwengrube erwies sich sehr bald als gemütlicher Talk auf dem Plüschsofa. Menge war kein Daniel, sondern übte sich wie einst Diogenes in vornehmer Zurückhaltung. Seine Zuhörer machten es ihm leicht. Höflich vermieden sie es, allzu hartnäckig nach den Motiven des Autors zu bohren.

Dabei gab es Fragen und Reibungspunkte offenbar die Fülle. Viele ältere Ostberliner können sich noch an Ekel Alfred erinnern und messen den Motzki daran. „Ich erwartete Esprit und bekam schmutzige Unterwäsche präsentiert“, sagte eine ältere Dame enttäuscht. „Gerade die grobe Art Motzkis ruft Widerstand und Abscheu hervor“, meinte eine andere und gab damit sichtlich die Meinung vieler „reiferer Jahrgänge“ unter den Zuschauern im Osten wieder. „Der Mann ist ja völlig von allen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen isoliert“, meinte ein älterer Mann.

„Ich komme mir hier vor wie zwischen Künstlerstammtisch und Parteihochschule, mokierte sich eine Zahnärztin. „Ich spreche als Fernseh-Normalverbraucher. Meiner Familie gefällt die Serie. Außerdem haben Sie mit Motzki erreicht, was meine Mutter fünf Jahre lang nicht geschafft hat: Mein Vater hat seine lila Trainingshosen in die Lumpen getan.“

Autor Wolfgang Menge beschränkte sich zumeist aufs Zuhören und ließ alle Anwürfe mehr oder weniger geschickt abprallen. „Ich habe den Motzki ja nur am Rande für Sie und hauptsächlich für mein Publikum im Westen geschrieben“, sagt er und erregt damit prompt Widerspruch. Außerdem: „Das ist doch nur eine Fernsehserie.“

Die jungen Ostberliner scheinen den Motzki ohnehin leichter zu nehmen. Einigen gefällt nur nicht, daß die „Ossis“, verkörpert von Jutta Hoffmann, „so verdammt gut wegkommen“. Erklärter Motzki-Fan ist der Schaupielschüler Heiko Senst von der Schauspielschule Ernst Busch, der zu Beginn der Veranstaltung mit zwei Kolleginnen einige „Highlights“ der Serie zum besten gegeben hatte. Auch das Motzki-Credo zum Thema Wiedervereinigung – „Wer hat denn schon geahnt, daß hinter der Mauer eine einzige Ruine steht, besiedelt von gierigen und neidischen Kalmücken“ – kommt dem 24jährigen Ostberliner mit sichtlichem Spaß von den Lippen.

„Der Autor konnte doch nicht ahnen, was er mit seiner Idee anrichtet“, sekundiert Motzki-Redakteur Horst Königstein und berichtet über mittlerweile zehn Morddrohungen gegen das Fernsehteam. Autor Wolfgang Menge selber gibt sich abgeklärt hinsichtlich der Resonanz in Deutschland. Die Diskussion gelte ja weniger der Serie, als den brennenden Problemen, die darin angesprochen werden.

„Wirklich spannend ist das Interesse des Auslandes.“ Viele ausländische Journalisten sähen den innerdeutschen Ost-West-Konflikt in der Fernsehserie erstmals griffig auf den Punkt gebracht. Über Inhalt und Bewertung der Fernsehserie will sich Menge weiter bedeckt halten, bis die restlichen vier der insgesamt 13 Teile in der ARD gelaufen sind. In der nächsten Woche geht es erst einmal zum Ausflug in den Spreewald. Thomas Kunze (dpa)