Einstürzende neue Bauten in Hessen

■ RAF sprengt Gefängnisneubau bei Darmstadt wenige Tage vor der Eröffnung

Frankfurt/Main (taz) – Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft hat die RAF wieder zugeschlagen. Ein „Kommando Katharina Hammerschmidt“ der Roten Armee Fraktion (RAF) soll am Samstag um 5.10 Uhr einen Sprengstoffanschlag auf einen Gefängnisneubau im südhessischen Weiterstadt verübt haben. Dabei entstand ein Sachschaden von 100 Millionen DM – Menschen wurden nicht verletzt. Nach Polizeiangaben hat das „Kommando Katharina Hammerschmidt“ in einem in Mörfelden-Walldorf abgestellten Fluchtfahrzeug ein Bekennerschreiben mit dem RAF-Symbol hinterlassen, das inzwischen von Generalbundesanwalt Alexander von Stahl als „authentisch“ bezeichnet wurde. Darin verweisen die Autoren auf ihre Verantwortung für die politischen Gefangenen in der BRD, deren Freilassung entgegen den Hoffnungen des letzten Jahres bislang nicht erfolgte. Das Kommando soll aus vier Personen – drei Männern und einer Frau – bestanden haben. Die maskierten und bewaffneten Täter waren in der Nacht zum Sonnabend gegen 1.30 Uhr über die sechseinhalb Meter hohe Außenmauer geklettert, hatten das Wachpersonal überwältigt und gefesselt und anschließend die Sprengung des Verwaltungsgebäudes vorbereitet. Vor der Explosion brachten die Täter ihre Gefangenen in einem Kleinbus in Sicherheit.

Vor allem Vertreter des Verfassungsschutzes warnten gestern vor neuer Hysterie. Der Chef des Bundesamtes, Eckart Werthebach, forderte, der Staat solle „sehr sorgfältig und gelassen reagieren“. Der „von der Kommandoebene der RAF“ verübte Anschlag bedeute keine Abkehr von den Erklärungen der RAF vom April und August des vergangenen Jahres. Vor einem Jahr hatte die RAF angekündigt, das Mittel des bewaffneten Kampfes zur Durchsetzung revolutionärer Politik bis zur Bildung einer „Gegenmacht von unten“ auszusetzen. Auch der Hamburger Chef des Verfassungsschutzes, Ernst Uhrlau, sah keinen Widerspruch in den Erklärungen der RAF und der Sprengung. Sinn der Sache sei es gewesen: „ohne Menschen zu töten ein deutliches Zeichen der Handlungsfähigkeit zu setzen“.

Der umstrittene Gefängnisneubau in Weiterstadt mit seinem Hochsicherheitstrakt für Frauen sollte am Donnerstag eingeweiht werden. Mit Weiterstadt und seinen rund 500 Plätzen wollte die Landesregierung Raum für einen „humanen Strafvollzug“ schaffen, wie die hessische Justizministerin Hohmann-Dennhardt (SPD) am Samstag erklärte. Darüber hinaus sollte Weiterstadt die Renovierung des Frauengefängnisses in Frankfurt-Preungesheim ermöglichen. kpk Seite 3, Kommentar Seite 10