Metall will keine Tarife mehr

■ Schlichter Hickel über den Metall-Konflikt

Unter dem Motto „Jetzt reicht's“ ruft die IG Metall heute zu Protestaktionen gegen den Bruch der Tarifverträge in Mecklenburg-Vorpommern auf. Rudolf Hickel war Schlichter bei den Tarifverhandlungen in Sachsen.

taz: Warum sind diese Schlichtungsbemühungen gescheitert?

Hickel: Weil sich die Interessen unverrückbar gegenüberstanden. Die IG Metall hat darauf bestanden, daß der 1991 verabschiedete sogenannte Stufenplan eingehalten wird, der ab 1. April 1993 eine Anhebung der gesamten Arbeitseinkommen um 26 Prozent vorsieht. Die Unternehmer haben gesagt, diese 26 Prozent würden endgültig zum industriellen Aus führen, zur Vernichtung der Arbeitsplätze. Deshalb wollen sie nur 9 Prozent erhöhen und noch zusätzlich Öffnungsklauseln für Betriebe, die sich mit ihren Betriebsräten auf weniger einigen.

Paßbild Mann

Wieviel verdient ein Metaller im Osten und im Westen?

Ein Metallarbeiter in Sachsen verdient brutto bisher 1.762 Mark, mit 26 Prozent Erhöhung sind das 2.145 Mark. Sein Kollege im Westen liegt bei 3.200.

Was bedeutet das Scheitern der Ost-Verhandlungen für den Westen?

Es ist ganz klar, daß es darum geht, die Öffnungsklausel in der metallverarbeitenden Industrie über Ostdeutschland durchsetzbar zu machen und dann in den Westen zu reimportieren. Zum Skandal nach der Schlichtung kam es, als der Arbeitgeberverband den Tarifvertrag praktisch gekündigt hat, das hat es 1928 zum letzten Mal gegeben, während der Weimarer Republik. Die Arbeitgeberverbände in Ostdeutschland waren in dieser Frage sehr abhängig von den Bossen in Westdeutschland. Der Arbeitgeberverband macht im Osten eine Herr-im-Haus-Politik, die er jetzt auch im Westen betreiben will.

Welche Auswirkungen kann der Ausgang der Verhandlungen im Osten für die Metallarbeiter in Bremen haben?

Wenn es gelingt, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, den Tarifsprung zu knacken, hat das negative Auswirkungen, weil die Arbeitgeber in der nächsten Tarifrunde immer auf diesen Lohnverzicht in Ostdeutschland hinweisen und auch hier lohnpolitische Zugeständnisse verlangen werden. Wenn es in Ostdeutschland zu den Öffnungsklauseln kommt, hat das eine katastrophale Wirkung für Westdeutschland, weil sich dann auch hier Öffnungsklauseln auf Dauer nicht vermeiden lassen.

Das heißt, Klöckner könnte sagen: Uns geht's so schlecht, wir zahlen nicht mehr.

Genau. Dann wäre keine übergreifende Tarifpolitik mehr möglich. Das wäre nicht nur das Ende der Tarifautnomie sondern auch einer funktionsfähigen Interessenvertretung. Fragen: Diemut Roether