Brot und Rosen zum Frauenfrühstück

■ Überfraktionelle Initiative lud Frauenprojekte zum Frühstück ins Rathaus

Berlin. „Brot und Rosen“ forderten US-amerikanische Textilarbeiterinnen bei ihrem historischen Streik, aus dem später der Internationale Frauentag entstand. „Brot und Rosen für Frauen(projekte)“ verlangen heutzutage Berliner Senatorinnen und Vertreterinnen der autonomen Frauenbewegung in einer gemeinsamen Erklärung.

Jenes Dokument des historischen Fortschritts wird beim „ersten politischen Frauenfrühstück“ im Rathaus Schöneberg vorgelesen, noch bevor die rund hundert durcheinanderquirlenden Vertreterinnen von Fraueninitiativen, die die überfraktionelle Initiative „Berlin – Stadt der Frauen“ geladen hat, das echte Brot verfrühstückt haben. In Windeseile ist das Bufett leergefuttert – aus Angst, daß in den Projekten morgen nichts mehr zu beißen da ist? „Wir protestieren gemeinsam gegen die geplante Kürzung von ABM-Mitteln“, heißt es in der Erklärung. Denn die mehr als 300 Frauenprojekte in der Stadt leisteten „gesellschaftlich unverzichtbare Arbeit“.

Seit dem Mauerfall, beschweren sich Vertreterinnen der autonomen Frauenbewegung, habe sich die soziale Lage für Frauen dramatisch verschlechtert. Was an emanzipatorischen Ansätzen in den Fraueninitiativen übriggeblieben sei, habe der Staat zur „Sozialarbeit zum Billigtarif“ instrumentalisiert. Projekte aus dem Osten seien mit ABM-Stellen zuerst überhäuft worden, um jetzt wieder eingestampft zu werden: „Von sechzehn Ostberliner Frauenprojekten werden sechs bis zum Jahresende nicht mehr existieren.“ Aber die Projektfrauen haben eh die Nase voll von der bisherigen kurzatmigen Frauenpolitik. Den anwesenden Politikerinnen überreichen sie ein ganzes Bündel von Forderungen und „Dringlichkeitsanträgen“, die das Abgeordnetenhaus beschließen möge. Darunter die Umwandlung aller ABM-Stellen in sozialen Projekten in feste Stellen, die Einrichtung von multikulturellen Frauenzentren in jedem Bezirk, die Überlassung von 100.000 Wohneinheiten im sozialen Wohnungsbau für Frauen und Kinder, die Quotierung von Arbeitsplätzen in allen Unternehmen auf allen Qualifikationsebenen sowie ein Fonds für Frauenarbeitsplätze, in den die Unternehmen 20 Prozent ihrer Gewinne einzahlen müssen.

Wer sich im Utopischen vergreift und so viel verlangt, bekommt wenigstens eins: Beifall. Auch von den Politikerinnen, die Mitglied in der von der CDU bis zur PDS reichenden „überfraktionellen Initiative“ sind. „Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis wir diese Forderungen durchgesetzt haben“, kommentiert Frauensenatorin Christine Bergmann (SPD) salomonisch, während FDP-Chefin Carola von Braun noch eins draufsattelt: Sie wünscht sich „55 Prozent Frauen in allen Parlamenten“. Sibyll Klotz vom Bündnis 90 kündigt für Donnerstag einen interfraktionellen Antrag im Abgeordnetenhaus an, den Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) geduldig erklärt: Mit einer Bundesratsinitiative wolle das Land Berlin auf eine Änderung des Artikel 3 im Grundgesetz hinwirken.

Denn die Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, 1949 nur aufgrund einer erfolgreichen Briefkampagne sämtlicher Frauenverbände in die Verfassung aufgenommen, dient heute vielen Gerichten dazu, Gleichstellungsgesetze wegen der „Diskriminierung von Männern“ scheitern zu lassen. Deswegen, so Limbach, müsse der Gleichstellungsauftrag des Staates explizit ins Grundgesetz hineinformuliert werden. Das Vertrauen der Senatorin in die parlamentarischen Spielregeln scheint jedoch nicht übergroß zu sein, die Berliner Bundesratsinitiative allein genügt ihr jedenfalls nicht. Mit Veranstaltungen unter dem Titel „Frauen in bester Verfassung?“ und einer Unterschriftensammlung, so kündigt sie an, soll die Gemeinsame Verfassungskommission in Bonn noch einmal nachdrücklich auf dieses weibliche Anliegen hingewiesen werden.

Gemeinsamer Druck sei nötig, fordert auch Ingrid Holzhüter, die für ihr loses Mundwerk bekannte frauenpolitische Sprecherin der SPD: „Hackt nicht auf uns rum, sondern schießt die Männer an!“ Sie sei froh über die ganzen Weiber hier, sagt sie zwischen Brot und Müsli, um sodann wie weiland Erich Mielke mit einem überschwenglichen Bekenntnis zu enden: „Ich liebe euch!“ Ute Scheub