Rostock-Urteil: Kein „versuchter Mord“

■ Zweieinhalb Jahre Knast für Gewalttäter

Rostock (taz) – Die Rostocker Staatsanwaltschaft mußte den Vorwurf des versuchten Mordes gegen den 22jährigen Berliner Bernd T. fallenlassen, der während der Rostocker Krawalle einen Molotowcocktail auf Polizisten geschleudert hatte. Verurteilt wurde der Randalierer gestern vor dem Landgericht zu zweieinhalb Jahren Gefängnis wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, besonders schweren Landfriedensbruchs und Verstoßes gegen das Waffengesetz.

Zwar habe die Beweisaufnahme durch die übereinstimmenden Aussagen zweier Polizisten ergeben, daß der Angeklagte den Brandsatz geworfen habe, sagte der Staatsanwalt, der auf drei Jahre plädiert hatte, doch sei ihm kein „eindeutiger Tötungsvorsatz“ nachgewiesen worden. Bernd T. wollte in der Nacht vom 24. auf den 25. August 1992 nur „rumgestanden“ haben, dies allerdings in betrunkenem Zustand, und bestritt in der Verhandlung letzte Woche, den Molli geworfen zu haben.

Mit zwei Freunden war er in Skinhead- Kluft nach Rostock gefahren. Das Gericht hielt in seiner Urteilsbegründung Bernd T.s „zufällige Anwesenheit“ in Lichtenhagen für „ausgeschlossen“. Es fand dessen Freunde aufgrund ihrer widersprüchlichen Aussagen wenig glaubwürdig. Diese hatten unter anderem behauptet, auf dem Weg in einen Campingurlaub gewesen zu sein und „zufällig“ in Lichtenhagen vorbeigekommen zu sein.

Die Verteidigung, die auf eine Bewährungsstrafe plädiert hatte, will in die Revision gehen. Sie warf dem Gericht ohne Scheu vor falschen Vergleichen und Tönen vor, mit der Anklage wegen versuchten Mordes einen „Schauprozeß“ beabsichtigt zu haben.

Der jüngste Rostocker Prozeß hatte die Aufmerksamkeit erneut auf die bisher defizitäre juristische Aufarbeitung der rassistischen Krawalle von Rostock gelenkt. Zur Urteilsverkündung erschienen zahlreiche Skin-Freunde von Bernd T. Am Vormittag waren die Sicherheitskontrollen verschärft worden: es ging ein anonymer Drohbrief ein, in dem dem Gericht erklärt wurde, daß „wir Euch diesen Prozeß nicht vergessen werden“.