Wirtschaftsembargo

■ Kulturboykott gegen den politischen Terror des Iran ist unzureichend

Die Wirtschaftsbeziehungen zum Iran standen 1991 mit einer Exportsteigerung deutscher Unternehmen um 58 Prozent auf 6,8 Milliarden Mark in einer solchen Blüte, daß jeder kulturpolitische Vorbehalt gegen den Iran die wirtschaftlichen Beziehungen ja geradezu als unanständig erscheinen lassen mußte. Infolgedessen wurde das Inkrafttreten des deutsch-iranischen Kulturabkommens als wirtschaftliches „Schmiermittel“ als so unverzichtbar angesehen, daß die Bundesregierung zum Wortbruch bereit war. So drängte sie die Bundesländer 1991, ihre Zustimmung zum Kulturabkommen zu geben, obwohl das Auswärtige Amt als Reaktion auf die Morddrohung gegen Salman Rushdie noch 1989 öffentlich gelobt hatte, das deutsch-iranische Kulturabkommen von der Rücknahme des Todesurteils gegen den Schriftsteller abhängig zu machen.

Der Kulturboykott gegen den Iran kann unter den gegebenen Umständen nicht zur Diskussion gestellt werden. Selbstverständlich gilt es, Einspruch einzulegen gegen massive Versuche der herrschenden Politik, den Iran politisch schönzureden und die Geschäftsbeziehungen zum Maßstab aller Dinge zu machen. Der Verfall der politischen Moral und die Aushöhlung unserer Kulturwerte wie Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst dürfen nicht widerspruchlos beschleunigt werden durch duldendes oder indifferentes Schweigen zu einer Politik, die aus Opportunitätsgründen ihre eigenen Erklärungen wie „Schnee von gestern“ behandelt.

Dennoch sind die Grenzen der politischen Wirkung eines Kulturboykotts bei aller Notwendigkeit nicht zu übersehen: Die deutsche Wirtschaft läßt sich von der Geschäftemacherei bislang nicht abhalten. Die Politik unterstützt sie dabei tatkräftig mit Bürgschaften oder, wie unlängst durch den SPD- Wirtschaftsminister in Baden- Württemberg, durch offizielle Besuche in Teheran mit geschäftshungrigen Mittelstandsunternehmen im Schlepptau. Der Iran selbst zeigt sich unbeeindruckt von der Stornierung des Kulturabkommens und setzt seinen Kurs des innen- und außenpolitischen Staatsterrors fort.

–60.000 geschätzte politische Gefangene

–130.000 Inhaftierungen im Zusammenhang mit der gegen iranische Frauen gerichteten staatlichen Kampagne gegen die sogenannte „Propagierung der Sittenlosigkeit und die Verletzung der Schleierpflicht“

–eine erst unter Rafsandschani gestartete systematische Verfolgung der politischen Opposition im Ausland,

–die Bestätigung des Todesurteils gegen Rushdie und – die zusätzliche Aufforderung an Christen, sich an der Jagd auf ihn als „unerwünschtem Element“ zu beteiligen, sind ein Ausschnitt aus der Schreckensbilanz einer angeblich „gemäßigten“ Regierung nach Khomeini. Nicht zuletzt die angestrebte Umsetzung des iranisch- fundamentalistischen Hegemonianspruchs durch ambitionierte Programme zum Ausbau aller Massenvernichtungswaffen, einschließlich atomarer und biologischer Waffen, sollten endlich als internationale Aufforderung verstanden werden, mit allen politischen Mitteln zu verhindern, daß der Iran mit deutscher und mit internationaler Unterstützung zur weltweiten Bedrohung wird.

Auch wenn die Bundesregierung Rüstungsexporte in den Iran nicht genehmigt, trägt sie durch Technologieexporte dazu bei, daß die notwendige moderne Infrastruktur für die Hochrüstung geschaffen wird. Abgesehen davon, sind moderne Technologien sowohl für militärische als auch zivile Zwecke einsetzbar. Ein striktes Waffen- und Technologieembargo gegen den Iran, wie die Grünen es fordern, ist auf nationaler und internationaler Ebene die einzige Antwort, den Weg des Iran zu einer der größten und gefährlichsten Atommächte der Welt zu stoppen und der absoluten Erpreßbarkeit durch das iranische Regime zu begegnen. Daß wir jetzt schon bedingt erpreßbar sind, davon geht der iranische Botschafter in Bonn getrost aus. So vermerkte er im Zusammenhang mit dem Rushdie- Besuch in Bonn, daß die Bundesregierung wegen eines Schriftstellers die guten wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran doch nicht aufgeben werde. Recht hat er, oder? Brigitte Schumann

Die Autorin ist kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Landtagsfraktion NRW