Schweizer Biotech-Firma gesprengt

Unbekannte iranische Oppositionsgruppe bekennt sich – zerstörte Kessel waren angeblich zur Produktion biologischer Kampfstoffe im Iran gedacht/ Manager bestreitet Vorwurf  ■ Aus Basel Thomas Scheuer

Beim dritten Sabotageanschlag innerhalb eines Jahres auf die schweizerische Firma Bioengineering AG, die in dem Örtchen Wald bei Zürich Anlagen für die Pharmaindustrie herstellt, entstand am frühen Sonntagmorgen ein Sachschaden von über anderthalb Millionen Mark. Menschen wurden bei dem Anschlag nicht verletzt. Am Tatort hinterlassene Bekennerschreiben und zwei anonyme Telefonanrufe weisen auf einen politischen Hintergrund der Tat hin: Danach bekannte sich eine angebliche, den Behörden bisher unbekannte, iranische Oppositionsgruppe namens „Gruppe der iranischen Märtyrer Mustapha Sadeki und Ali Sadeh“ zu der Tat. Bei den Büros zweier internationaler Nachrichtenagenturen in Frankfurt und London meldete sich am Sonntag abend anonym ein englisch sprechender Mann und warf der Firma Bioengineerung AG vor, Anlagenteile zur Herstellung biologischer Kampfstoffe an den Iran geliefert zu haben.

Nach Darstellung der Polizei müssen der oder die Täter am Sonntag morgen um vier Uhr herum in die Montagehalle der Firma Bioengineering AG eingedrungen sein. Sie brachten an mehreren Rührkesseln, wie sie für die Herstellung von Pharmaka benötigt werden, Sprengladungen an. Die Firma Bioengineering AG war innerhalb der vergangenen zwölf Monate bereits zweimal Ziel von Anschlägen. Vor gut einem Jahr, am 14. Februar 1992, verursachte ein Brandanschlag große Schäden in der Produktion. Die Polizei ermittelt bis heute erfolglos gegen Unbekannt. Am 14. Juni 1992 wurden auf dem Gelände einer Speditionsfirma in München Produkte der Bioengineering AG zerstört.

Der anonyme Anrufer vom Sonntag abend begründete den jüngsten Anschlag damit, daß die Bioengineering AG im Auftrag des deutschen Chemiekonzerns Bayer die Produktion von biologischen Waffen im Iran unterstütze. Die Schweizer Firma liefere Maschinen, mit denen in biologischen Waffen verwendbare Bakterien produziert werden könnten. Eine solche Maschine sei bereits im vergangenen Jahr an die in Teheran regierenden „Mörder“ geliefert worden, erklärte der Anrufer.

Nach Darstellung des Anrufers waren Sadeki und Sadeh politische Häftlinge im Iran. In einem „geheimen Labor“ seien an den beiden Männern die mit Hilfe der aus der Schweiz gelieferten Anlagen hergestellten bakteriologischen Substanzen getestet worden. Beide seien an den Folgen dieser Versuche vor 14 Tagen gestorben. Der Anschlag auf die Schweizer Firma sei der Beginn einer Anschlagsserrie gegen alle, „die Iran bei der Herstellung dieser schrecklichen Waffen helfen“, hieß es in dem telefonischen Statement.

Die Geschäftsleitung der Firma Bioengineering AG wies diese Vorwürfe gestern gegenüber der taz zurück: Zwar seien die letztes Jahr in München attackierten Geräte tatsächlich „für ein Institut in Teheran“ bestimmt gewesen. Ein Einsatz dieser speziell für die Medikamentenherstellung vorgesehenen Apparate in der bakteriologischen Forschung mache jedoch, so Firmenmanager Harald Graf zur taz, „keinen Sinn“. Diese Einschätzung hätten mittlerweile auch Experten und Regierungsstellen der Firma bescheinigt. Seit mehreren Monaten führe die Bioengineering AG zudem keine Aufträge mehr für nahöstliche Kunden aus. Die Rührkessel, die am Wochenende zerstört wurden, seien für einen pharmazeutischen Betrieb in einem Nachbarland der Schweiz, also für einen europäischen Kunden, bestimmt gewesen. Dessen Namen wollte Graf nicht nennen; es habe sich aber, so versicherte er der taz, nicht um den deutschen Bayer-Konzern gehandelt.