Ein Dach überm Kopf für benachteiligte Jugendliche

■ Die „Neuraum GmbH“ akquiriert in Zusammenarbeit mit privaten Bauträgern Wohnraum für betreute Jugend-WGs/ Übergabe einer Wohnung im Wedding

Berlin. Die Jugendlichen aus der ehemaligen Jugendwohngemeinschaft Friedrichstraße blickten etwas ungläubig aus der Wäsche. Die Maisonettewohnung im Neubauprojekt Transvaalstraße 17, die nun künftig die ihre sein soll, ist ein kleiner Traum. Ermöglicht wurde er von der „Neuraum GmbH“, einer Gesellschaft, die im Juli 1990 gegründet wurde. Seither konnte „Neuraum“ 54 Wohnungen für betreutes Jugendwohnen zur Verfügung stellen.

„Leider wird hier kein zusätzlicher Wohnraum für Jugendliche geschaffen“, bedauerte Wolfgang Geisenheyner am Wochenende anläßlich der Übergabe der Wohnung im Wedding. Gerade betreutes Jugendwohnen als gewerbliche Nutzung von Wohnraum sei von der Mietenexplosion in Berlin besonders betroffen. Für die WG in der Friedrichstraße habe der Vermieter plötzlich 3.000 Mark Miete verlangt. In der Transvaalstraße seien es dagegen nur 1.750 Mark. „Neuraum“ ist laut Geisenheyner die Reaktion auf die Veränderungen bei sozialen Projekten seit der Öffnung der Mauer. Hervorgegangen aus dem Verein „Jugendwohnen im Kiez“ wollte man neben der Vermittlung von „normalen“ Wohnungen für Jugendliche, die aus den Projekten ausziehen, fortan selbst dafür sorgen, daß neuer Wohnraum für Jugendprojekte zur Verfügung gestellt werden kann. „Diese Wohnungen entstehen“, so Geisenheyner, „vor allem im Dachgeschoßausbau sowie im sozialen Wohnungsbau.“ Voraussetzung dafür sei allerdings eine tragfähige Kooperation mit privaten Bauträgern.

Die hat man offenbar gefunden. Wilfried Pietschke, Geschäftsführer der Firma Kettler, die den Neubau in der Transvaalstraße erstellte, erklärte sich gestern zur weiteren Zusammenarbeit mit „Neuraum“ bereit. Von den 13 derzeit in Planung befindlichen Neubauprojekten werde jeweils eine Wohnung für Jugendprojekte zur Verfügung gestellt, so Pietschke. Bedingung sei lediglich, daß der Firma dadurch keine Mehraufwendungen entstünden. Interessant sei ein solches Engagement deshalb, weil in jedem Neubau zehn Prozent Wohnfläche für Sonderwohnraum vorgeschrieben sei und zusätzlich von der Wohnungsbaukreditanstalt gefördert werde. Während die meisten Bauherren dieser Vorschrift durch den Bau behindertengerechter Wohnungen im Erdgeschoß Genüge leisteten, realisiere er diese zehn Prozent durch den Bau von geeigneten Jugendwohnungen. Da die meisten dieser Neubauprojekte im ersten Förderweg, also sozialen Wohnungsbau, oder im zweiten Förderweg, und damit immer noch öffentlich gefördert, errichtet würden, seien auch die Mieten mit sieben bis ca. zwölf Mark pro Qudratmeter erschwinglich. Ähnliche Projekte wie in der Transvaalstraße sind laut Pietschke auch in Köpenick, Treptow, Adlershof und Weißensee geplant.

Unterstützung für diesen außergewöhnlichen Weg gab es gestern auch von der Politik. Jugendstaatssekretär Löhe begrüßte das Engagement von „Neuraum“ und Pietschke ebenso wie der Jugendstadtrat von Wedding, Seidel. 25 Prozent der Jugendlichen in Heimen, so Löhe, seien bereits über 18 Jahre alt, die Heimunterbringung komme die Bezirke deshalb besonders teuer. Daß die Jugendämter allerdings auch für betreute Wohngemeinschaften nicht jeden Preis zahlen, sagt Ingrid Alderding, Geschäftsführerin von „Neuraum“: „Die Grenze liegt derzeit etwa bei 3.500 Mark für eine Wohnung.“

Der Senat spart seine Hilfe ein

Daß die Aquirierung billigerer Wohnungen freilich nicht die alleinige Lösung ist, weiß auch Wolfgang Geisenheyner. Seiner Meinung nach sind hier insbesondere die Politiker gefordert, die gewerbliche Nutzung von Wohnraum unter den selben Schutz zu stellen wie bei Mietwohnungen. Mit der finanziellen Förderung solcher Initiativen wie „Neuraum“ tut man sich im Senat allerdings schwer. Nachdem der Gesellschaft vom Senat 1990 eine Stelle bewilligt wurde, wurde selbige im Zuge der Sparmaßnahmen wieder gestrichen. Seit letztem Jahr wird „Neuraum“ nun mit einer halben Stelle gefördert. Zuwenig, finden auch die Nutznießer dieser Arbeit, die Träger der Wohngemeinschaften. Da die meiste Arbeit von „Neuraum“ ehrenamtlich geleistet werde, sei eine großzügigere Förderung seitens des Jugendsenats dringend nötig. Staatssekretär Löhe beeilte sich gestern „angesichts der sichtbaren Ergebnisse“, seine Unterstützung für diese Forderung zuzusichern. Uwe Rada