Wieviel Koks ist illegal?

■ Kieler Ministerium setzt fortschrittliche Akzente in der Drogenjustiz

in der Drogenjustiz

Schleswig-Holstein macht Hamburg jetzt vor, wie fortschrittlich das neue Betäubungsmittelgesetz (BtmG) gehandhabt werden kann. Die Änderung des Gesetzes im Herbst 1992 geschah zwar auf Initiative der Hansestadt, über die praktische Auslegung aber streiten sich seitdem die Hamburger Behörden. Nach den neuen Regelungen ist es Staatsanwälten erlaubt, Verfahren gegen Süchtige einzustellen, die mit kleinen Mengen Drogen verhaftet werden. Das Kieler Justizministerium will nun eine Mengenangabe festschreiben, die einen Hamburger Junkie nach wie vor in den Knast bringen würde.

Die Gesetzesänderung soll nicht nur zur Entkriminalisierung der Abhängigen führen, sondern auch die Gerichte von Bagatellfällen entlasten. Denn bisher muß gegen jeden Abhängigen, der illegale Drogen besitzt, ein Gerichtsverfahren eröffnet werden, das erst der Richter einstellen kann. Immerhin, so schätzt der Sprecher der Justizbehörde, Nikolaus Berger, wurden alleine in Hamburg 1990 rund 10000 BtmG-Verstöße vor Gericht verhandelt. In drei Vierteln der Fälle habe es sich um „Konsum-Delikte“ gehandelt (nach dem BtmG ist der Konsum illegaler Drogen strafbar). Durch die Novellierung des Gesetzes, so hofft die Justizbehörde, könnten nun jährlich bis zu 4000 Verfahren vermieden werden.

Doch über die praktische Auslegung kam es schon im Herbst zum Knatsch zwischen drei Hamburger Behörden: Zunächst attackierte die Innenbehörde eine offensivere Praxis. Sie wollte festschreiben, daß weiterhin alle Junkies verknackt werden, die in der Öffentlichkeit fixen. Eine praktische Nullösung: Denn eine Verbesserung für die verelendeten und wohnungslosen Süchtigen kann so nicht eintreten. Dagegen intervenierte die Sozialbehörde: Jetzt kommt eine Verfahrenseinstellung nur für diejenigen nicht in Frage, die sich „ostentativ vor den Augen von Kindern“ ihre Spritze setzen.

Die Hamburger Justizbehörde wiederum zeigte sich bei der Festsetzung einer Eigenverbrauchsmenge besonders geizig. Nur die

1Süchtigen bleiben straffrei, die mit weniger als einem Gramm Heroin oder Kokain oder einer „streichholzgroßen“ Menge von Cannabis erwischt werden.

Die Schleswig-Holsteiner wollen sich jetzt viel großzügiger zeigen. Bis zu drei Gramm Heroin, fünf Gramm Kokain und 30 Gramm Cannabis sollen dort als zulässige Dosis gelten. Diese Regelung soll sogar in den Haftanstalten gelten.

Über diese Auslegung, die Anfang März den Kieler Landtag passieren soll, zeigte man sich in der Hamburger Justizbehörde erstaunt. Aber die Festlegung der Mengen sei durchaus veränderbar, räumte Berger ein. sako