Für die CDU ist Kupfer weiter Gold wert

■ Vermittler zwischen Polizei und Gewalttätern in Lichtenhagener Brandnacht meldet sich/ Schweriner Regierungskoalition will Innenminister Kupfer nicht so recht zum Rücktritt auffordern

Berlin (taz) – Entgegen aller bisherigen Angaben von Polizeiführern und den zuständigen Staatsanwälten hat die Einsatzleitung in der Brandnacht von Rostock-Lichtenhagen mit einem namentlich bekannten Mann über das „Waffenstillstandsangebot“ der rechten Gewalttäter verhandelt. Der Spiegel berichtet, am Montag letzter Woche (dem Tag, an dem die taz erstmals den „Pakt von Rostock“ darstellte) habe sich der 44jährige Hans Dieter Witt aus Lichtenhagen beim Staatsschutz der Rostocker Polizei gemeldet und erklärt, er habe zwischen Randalierern und Polizei vermittelt. Er habe sich in der Brandnacht des 24. August 1992 mit „vollem Namen und Adresse vorgestellt“ und sei, keineswegs anonym, als Vermittler ab 21.30 Uhr zwischen Polizei und den Rechten hin- und hergelaufen.

Dem Hundertschaftsführer Bleeck will Witt eine 45minütige Kampfpause vorgeschlagen haben, während der sich die Jugendlichen davon überzeugen wollten, daß die ZASt (Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber) leer sei. Danach verlangten sie freien Abzug. Bei Bleeck, so Witt weiter, habe er gewartet, bis aus der Einsatzzentrale in Lütten Klein — also von Einsatzleiter Jürgen Deckert — über Funk die Zustimmung kam. Sie sei mit der Aufforderung verknüpft gewesen: „Versuchen Sie, einen Waffenstillstand zu erreichen.“ Gescheitert sei die Waffenruhe nicht daran, daß der Kontakt zwischen Polizei und Kontakt zum Vermittler abgebrochen sei, wie Deckert, der Rostocker Oberstaatsanwalt Neumann und andere vor dem Untersuchungsausschuß des Schweriner Landtags ausgesagt hatten. Nach Witts Angaben wollten vielmehr die Gewalttäter „das Ding hier brennen sehen“ und seien nicht zu bremsen gewesen.

Wenn Witt wirklich der Vermittler war und seine Aussagen stimmen, stellen sich neue Fragen. Warum hat die Polizei in jener Nacht nicht Witts Namen und Anschrift notiert? Hat sie es doch getan, wieso tauchte der Name bisher nirgendwo auf? Hat sie es tatsächlich versäumt, warum gelang es nicht nachträglich, einen so wichtigen Zeugen ausfindig zu machen? Wieder nur Pannen und Pleiten? Und wieso meldet sich Witt erst jetzt, nachdem immer mehr Indizien dafür sprechen, daß die Polizei den Pakt von Rostock sozusagen einseitig umsetzte? Denn während Einsatzleiter Deckert weiter bestreitet, die Verhandlungen hätten Einfluß auf die Polizeistrategie gehabt, bestätigen Witts Angaben die Berichte der Hundertschaftsführer Skrocki und Wenn-Karamnow. Der Sprecher des Landespolizeiamts in Schwerin, Volker Horl, sagte gestern, wenn es richtig sei, daß es „diese Gespräche und nicht nur ein anonymes Angebot der Gewalttäter gegeben habe, wäre das ein großer Unterschied“.

Unterdessen tut die Schweriner CDU weiter so, als sei der politisch Verantwortliche für die Polizei- Katastrophe von Lichtenhagen, Innenminister Lothar Kupfer, Gold wert. Ministerpräsident Berndt Seite sieht „die Landesregierung auf richtigem Kurs“. Auch der CDU-Landesvorsitzende und Verkehrsminister Günther Krause begab sich von Bonn aus auf den „richtigen Kurs“ und tönte, es sei einfach „unfair“, das Rostocker Desaster seinem Parteifreund „in die Schuhe zu schieben“. Ob Kupfer auf zukünftiges Fair play warten kann, bleibt allerdings zweifelhaft. Wie Krause verwies auch der Schweriner CDU-Fraktionsvorsitzende Eckhardt Rehberg auf die persönliche Belastung des Innenministers. Zwar stehe seine Fraktion hinter Seite und Kupfer, man solle „aber nie nie sagen“, meinte Rehberg auf die Frage nach Kabinettsveränderungen. Die Koalitionspartnerin FDP übte sich in Zurückhaltung und verzichtete darauf, Kupfers Rücktritt zu verlangen. FDP-Landeschef und Bildungsminister Rainer Ortleb sieht überhaupt „keine Regierungskrise“. Die oppositionelle SPD dagegen fordert Neuwahlen — wie schon während der letzten Regierungskrise, die mit dem Rücktritt des damaligen Ministerpräsidenten Alfred Gomolka endete. bm