Polizei bestätigt Pakt von Rostock

Rostocker Polizeichef bestätigt Abkommen zwischen Rechtsradikalen und der Polizei/ Schweriner Parteien bremsen weiter, SPD beklagt schleppende Ausschußarbeit  ■ Von Bettina Markmeyer und Jan Lerch

Berlin (taz) – Der Rostocker Polizeichef Dieter Hempel bestätigte gestern die jüngsten taz-Berichte über ein zeitweises „Waffenstillstandsabkommen“ zwischen der Rostocker Polizei und den rechten Gewalttätern in der Brandnacht vom 24. August letzten Jahres.

Stundenlang hatten über hundert Menschen, die im Wohnblock neben der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (ZASt) eingeschlossen waren, in Lebensgefahr geschwebt, während sich die Polizei wegen eines angeblichen „Abkommens mit den Störern“ zurückgezogen hatte und die Feuerwehr nicht löschen konnte. Der taz sagte Hempel gestern: „Aus unserer Sicht gibt es keinerlei Anlaß, an Ihren Recherchen zu zweifeln. Sie bestätigen Berichte, die auch uns vorliegen, und Vermutungen, die ich selbst geäußert habe.“

Einsatzleiter Deckert hatte eine Hundertschaft von der ZASt zurückgezogen mit der Begründung, es gebe „eine Art Waffenstillstand“, obwohl die rechten Gewalttäter die Überhand hatten. Der seit letzten Donnerstag dem Schweriner Untersuchungsausschuß vorliegende Bericht des Hundertschaftsführers Skrocki bestätigte jetzt die Existenz eines solchen „Abkommens“.

Deckert hatte dem Beamten dringend benötigte Reservekräfte mit Verweis auf das angebliche „Abkommen“ verweigert. Seinen Bericht hatte er auf Anforderung seines Vorgesetzten in der Polizeiinspektion Schwerin direkt nach den Krawallen abgefaßt und weitergeleitet. Gleichwohl forderte ihn die Rostocker Staatsanwaltschaft Anfang dieses Jahres erneut auf, einen Bericht abzuliefern. Offenbar war also sein erster Bericht entweder vom Landespolizeiamt Schwerin oder sogar vom Innenministerium nicht weitergeleitet worden.

Während für die CDU und die PDS im Schweriner Landtag die neuesten Enthüllungen „keine Wende“ bedeuten, berieten die SPD-Abgeordneten gestern abend die Frage, wie und ob sie künftig im Untersuchungsausschuß weiterarbeiten werden. Für Lorenz Caffier, den CDU-Obmann, steht nun „Aussage gegen Aussage“. Entgegen dem Skrocki-Bericht hält Einsatzleiter Deckert weiter daran fest, es habe kein Abkommen, sondern lediglich Kontakte mit den Gewalttätern gegeben, die keinesfalls die polizeiliche Strategie beeinflußt hätten. Dasselbe hatte auch Hempels Vorgänger, der damalige Rostocker Polizeichef Siegfried Kordus, vor dem Ausschuß beteuert.

Für die SPD wird dagegen immer deutlicher, daß der Untersuchungsausschuß vor allem durch die schleppende und selektive Belieferung mit den nötigen Unterlagen hinters Licht geführt wird. Einsatzberichte wie der Skrockis, die aus der Schweriner Polizeidirektion direkt ans Innenministerium gehen, werden dem Ausschuß vorenthalten.

Daß diese Praxis auf mangelhafte Beweisbeschlüsse des Ausschusses zurückgehe, wie das Innenministerium behauptet, wies ein SPD-Sprecher gestern erneut zurück. Im entsprechenden Beweisbeschluß vom 17.9.1992 verlangt der Ausschuß ausdrücklich „alle beim Innenministerium und bei der Polizeidirektion Rostock befindlichen Berichte und Aufzeichnungen über Einsatzstärken und Hilfeanforderungen unter Angabe von Daten und Zeiten“ an.