Aber der Klaus ist links, ist einer von ihnen

■ „Analyse und Kritik“ lud zu einer kleinen Croissant-Feier am Schlesischen Tor

„Fahren Sie ab, bevor der Zug es tut – auf ein frisches Croissant!“ So frisch wirbt ein Imbißstand am Alex. Und so frisch geht es auch zur Sache im KATO am Schlesischen Tor bei einem Diskussionsabend, zu der die Zeitschrift Analyse & Kritik geladen hatte. Natürlich nicht über Croissant, das französische Blätterteighörnchen, sondern über Croissant, den deutschen Stasi-Spitzel. Oder, in linker Infantilsprache, „über den Klaus, der jetzt ein Opfer der BRD-Klassenjustiz ist, nicht wahr“. So sprach ein Mitglied des Solidaritätskomitees über den Verhafteten.

Das waren klare Worte, die einer klar-knappen Begrüßung folgten. Dann erfuhren die „lieben Genossen und Genossinnen“, daß die Diskussion „über den Umgang der Linken mit MfS-MitarbeiterInnen in den eigenen Reihen“ um halb zehn beendet sei, aber man danach noch bleiben dürfe, um das Zeitschriftenjubiläum zu feiern – und den Geburtstag des KB, der von der Mehrheitsfraktion in der Minderheitsfraktion (oder umgekehrt) heute begangen werde. Dann kam es schnell zu „Klaus muß raus“, da nichts bewiesen sei und auch andernfalls MfS-Mitarbeit nichts Verwerfliches bedeute. Basta.

Nächstens sprach ein etwas fülliges AL-Mitglied, und es sprach etwas undeutlich, so daß dem Nichtkenner der Szene der Name verborgen blieb. Immerhin: „Der Klaus hat die Bewegung hintergangen und schon ein bißchen zwei Herren gedient.“ Also: „Der Klaus muß das auch einsehen, sag' ich jetzt mal ganz hart.“ Und die Härte nahm sogar noch zu: „Auch allgemein, das müssen wir diskutieren, über Einseitigkeit und so. Vielleicht hat man sich in der Hoffnung auf emanzipatorische Geschichten in der DDR auch täuschen lassen, hätte mehr zu den Oppositionellen gehen sollen, wirklich.“

Das allerdings fand der Jörg von der ak-Redaktion gar nicht so toll: „Weshalb hätte man denn mit diesen Leuten sprechen sollen?“ fragt er die Runde. „Die wollten doch die Abschaffung der DDR, also die Abschaffung der antifaschistischen Alternative zum BRD-Imperialismus.“ Und die hätten ja schließlich auch Geheimdienstkontakte zur CIA gehabt, wie Bärbel Bohley. „Der Klaus hat politisch das Richtige getan, hat niemanden verraten. Der Klaus hat nämlich nur über die Westlinken geschrieben, die sich immer in die inneren Angelegenheiten der DDR eingemischt haben.“ Einwurf: „Ich denke, du bist Internationalist?“ Da muß der Jörg dann etwas beschämt lachen und gleich noch einen Schluck Bier nehmen. Solche Fragen fragt man nicht, das Mitglied des Solidaritätskomitees droht: „Wenn der Klaus jetzt neben dir sitzen würde...!“

So aber mußte man sich auch die Fragen der dritten Diskussionsteilnehmerin gefallen lassen: Jutta Braband, in der DDR in den siebziger Jahren MfS-verpflichtet, dann abgesprungen, Oppositionsarbeit, Knast. „Wie konnte man die Augen vor den autoritären DDR-Strukturen verschließen, wie mit etwas kungeln, was man woanders bekämpfte? Wenn Menschenrechtsverletzungen annehmbar werden, ist etwas in der Substanz faul, mal ganz abgesehen vom persönlichen Vertrauensbruch.“

Soviel bürgerliche Ziererei aber kam nicht an. Publikums Stimme brachte es auf den Punkt: „Vielleicht hat er ein paar Fehler gemacht. Aber Klaus ist links, denn Klaus will immer noch gesellschaftliches Eigentum an Produktionsmitteln. Klaus ist einer von uns!“ Eben. Unser Croissant – auch wenn der Zug längst abgefahren ist. Auch wenn man kotzen möchte. Gerade dann. Marko Martin