Biedermann Kupfer spielt den Ahnungslosen

■ Vernehmung des Innenministers von Mecklenburg-Vorpommern, Lothar Kupfer, im Schweriner Untersuchungsausschuß zum Pogrom von Rostock

Schwerin (taz) – Innenminister Lothar Kupfer war lediglich zu dekorativen Zwecken in Rostock, als dort die Pogrome gegen AusländerInnen Nacht für Nacht stattfanden. Dieser Schluß ergibt sich aus seinen gestrigen Aussagen vor dem Untersuchungsausschuß in Schwerin. Bei einer Besprechung in der Rostocker Polizeidirektion während der Krawalle am Sonntag, dem 23.8.92, habe er der Polizeiführung keine Anweisung gegeben, so Kupfer, und auch selbst keinerlei Maßnahmen veranlaßt. Auch sei in seiner Anwesenheit nicht über eine Gefährdung der VietnamesInnen im Block neben der ZAST gesprochen worden.

Demgegenüber hatten der Polizeioberrat Jürgen Deckert, der bis Montag nacht – der Nacht, in der die ZAST und die Wohnungen der VietnamesInnen brannten – die Einsätze leitete, und der damalige Leiter der Rostocker Polizeidirektion, Siegfried Kordus, vor dem Ausschuß gesagt, sie hätten sehr wohl von den VietnamesInnen gesprochen, deren Gefährdung aber für geringer gehalten als die der Polizisten. Auch habe Kupfer ausdrücklich festgelegt, so Deckerts Aussage letzte Woche, daß die ZAST nicht geräumt werden solle, sondern „schrittweise bis zum 1.9.92 freigezogen“ und nach Hinrichshagen verlegt werden solle. Gleichwohl ließ die ZAST-Mitarbeiterin Heike Buhrow in Absprache mit Kupfers Innenministerium am Montag, den 24.8., die ZAST räumen. Kupfer sagte gestern auf entsprechende Fragen, davon sei er „überrascht“ worden. Er meinte aber, die ZAST-Räumung sei „ein ganz normaler Arbeitsprozeß im Rahmen der Verlegung der ZAST nach Hinrichshagen“ gewesen. „Ich sehe kein politisches Problem.“

Am Montag abend sah Kupfer erst zu Hause im Fernsehen, daß die ZAST und das Haus der VietnamesInnen brannten. Ab 23 Uhr war er zurück in der Rostocker Polizeidirektion, von der aus er das weitere Geschehen verfolgte, aber nach eigenem Bekunden nie eingriff. Von der Anforderung der Hamburger Polizei, ihre Polizisten auszutauschen, habe er nichts gewußt und könne heute nur sagen, daß die etwa zweistündige Abwesenheit der Polizei in der Brandnacht „nicht besonders gelungen“ gewesen sei. Bettina Markmeyer