■ Innenminister Kupfer vor dem Rostock-Ausschuß
: Die Banalität des Politischen

Wie banal das Böse sein kann, hat vor einem halben Jahrhundert Hannah Arendt erschreckt. Heute, 60 Jahre nach der sogenannten Machtergreifung, haben wir Anlaß, uns daran zu erinnern. Wie banal das Politische sein kann, führt im Rostock-Untersuchungsausschuß des Schweriner Landtags derzeit der CDU- Politiker und Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lothar Kupfer, vor. Und weil wir uns erinnern, haben wir Anlaß, uns zu beunruhigen.

In Lichtenhagen wären auch Deutsche gefährdet gewesen, wenn ein Molotow-Cocktail „versehentlich“ in eines der Häuser neben der „Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber“ geflogen wäre. Mit dieser Formulierung übernahm Kupfer bei seiner gestrigen Befragung die Perspektive der Täter. Nicht zum ersten Mal. Aber so deutlich wie nie zuvor. Versehentlich vielleicht? Nach einem halben Jahr voller Betroffenheits-Rituale, Gewaltverurteilungen, und ministerieller „Aufarbeitung“? Was gestern außer armseligem Bürokratendeutsch und schuljungenhaftem Gedruckse im Zeugenstand zu hören war, ist die enorme und erschreckende Diskrepanz zwischen einem politisch äußerst brisanten Ereignis und der nachhaltigen Weigerung des verantwortlichen Politikers, verantwortlich zu sein und politisch zu handeln. Genau diese Weigerung aber hat die rassistische Eskalation in Rostock ermöglicht. Soll sie nun auch noch die Aufklärung verhindern?

Kupfer hatte und hat noch heute im Zweifelsfall „keine Kenntnis“ von dem, was geschah. Hatte er Erkenntnis, traf er deshalb keine Entscheidungen. Traf er welche, waren sie nicht verbindlich. Traf er keine, taten dies andere. Weil andere die Entscheidung trafen, war und ist der Minister nicht verantwortlich. Im Zweifelsfall hatte er ja „nicht einmal Kenntnis“ von diesen Entscheidungen – usw., usf. Während sich der Schweriner Innenminister den Fragen des Untersuchungsausschusses in einer endlosen Schleife zu entwinden suchte, offenbarte er, daß nicht zu antworten derzeit die deutlichste Antwort auf rechte Gewalt ist. Natürlich muß Lothar Kupfer zurücktreten. Dies zu fordern, erscheint geradezu komisch angesichts der Tatsache, daß dieser Innenminister längst weggetreten – oder nie angetreten – ist. Als Minister ist Kupfer unfähig. Als Verantwortlicher ist er abwesend. Und als Politiker ist er gefährlich. Weil seine Auffassung vom Politischen nicht weniger banal ist als die der Brandstifter von Rostock.

Erinnern wir uns: Heutzutage kostet das Menschenleben. Bettina Markmeyer