Von der Kartoffelkiste zum Prunkbau

■ Was kost' die Welt? / Kleine Geschichte des Bremer Kongreßzentrums

Es ist vollbracht, die Kongresse dürfen tanzen. Ein schmuckes Gebäude ist es geworden, das noch namenlose Zentrum auf der Bürgerweide. Es ist das Resultat 15jähriger Planungen. Denn schon im Jahre 1977 hatte der Wirtschaftssenator eine Marktuntersuchung in Auftrag gegeben. Das Ergebnis damals: Ein Tagungszentrum vergleichbar mit Einrichtungen in Bielefeld, Osnabrück oder Wolfsburg würde rund 50 Millionen Mark kosten.

Entsprechend dieser Kalkulation wurde nach und nach Geld ins wirtschaftspolitische Aktionsprogramm eingestellt und 1985 ging es los. Im Ausschreibungstext für einen Architektenwettbewerb hieß es: „Die Qualität muß hervorragend sein.“ Für das Preisgericht galt aber auch: „Auf jeden Fall muß eine Lösung gefunden werden, die Bremen jetzt bauen und bezahlen kann.“ Zunächst war geplant, daß die Stadtgemeinde das Kongreßzentrum selbst betreibt und der Konzern Mövenpick lediglich die Gastronomie unterhält. Und so bekam eine Architektengruppe, den Zuschlag, die von An

Prachtbau mit HindernissenFoto: Jörg Oberheide

fang an unter einem Widerspruch arbeitete, den der Rechnungshof Jahre später so formulierte: „Kostenplanung hat das Ziel, Baukosten realistisch zu ermitteln und damit fundierte politische Entscheidungen zu ermöglichen. Kostenermittlung darf sich nicht vom

Wunschdenken bestimmen lassen, um ein vorgegebenes Kostenlimit einzuhalten. Das Verkennen dieses elementaren Grundsatzes hat lange Zeit die Erkenntnis verhindert, daß mit dem vorgegebenen Kostenlimit ein Kongreßzentrum der gewünschten Größe und der erforderlichen Qualität nicht zu verwirklichen war.“

Inzwischen hatten sich die Verhandlungen mit Mövenpick zerschlagen. Neue Partnerin war die Maritim-Gruppe, die nun das Kongreßzentrum auch selbst betreiben sollte. Und von nun an explodierten die Kosten. von ursprünglich 50 auf 99 Millionen Mark. Grundlage dafür war nun ein einigermaßen realistisches Konzept, das federführend von dem Architekten Thomas Klumpp erarbeitet wurde. Die Kostensteigerung aber wurde zur geheimen Kommandosache erklärt, um das Projekt nicht noch zu gefährden. Die Bürgerschaft wurde nicht informiert, undder Senat bekam erst Ende 1989 so richtig mit, was da gelaufen war. Auch Bausenator Konrad Kunick hatte beim Zusammenspiel zwischen Maritim und der Wirtschaftsbehörde nichts mehr zu sagen. Ein letzter Versuch Kunicks, die Ausgabenfreudigkeit von Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer zu stoppen, konterte der mit dem Hinweis: Es sei nie die Rede davon gewesen, daß Bremen eine Kartoffelkiste bauen wolle.

Mit dem Auftrag an den Rechnungshof, die Kostenentwicklung zu untersuchen, wurde ein Untersuchungsausschuß vermieden, der möglicherweise zu personellen Konsequenzen im Wirtschafts- und Bauressort geführt hätte.

Nachdem der Kostenrahmen vom Senat angehoben worden war, wurde es ziemlich ruhig um das Kongreßzentrum. Weiterhin wurde nach dem Motto verfahren: „Was kost' die Welt!“, oder: „Darf's noch ein bißchen mehr sein?“. Es durfte, immer wieder. Und so sind die Kosten letzlich bei rund 130 Millionen Mark gelandet. Und ein paar Millionen kommen noch einmal oben drauf. Denn noch fehlt ein Parkhaus, das für die paar Wochen im Jahr benötigt wird, in denen die Bürgerweide durch Freimarkt oder Hafa besetzt ist.

Für den Rechnungshof, der in seinem damaligen Bericht auf 123 Seiten eine Ohrfeige nach der nächsten austeilte, ist der Fall Kongreßzentrum denn möglicherweise noch nicht zu Ende.

Auch wenn's nochmal Prügel geben sollte, öffentliche Erregung wird das kaum noch hervorrufen. Schließlich gibt's jetzt was zum angucken.

hbk