Kostenlos in der Sex-Hotline: Das Protokoll einer fehlgeschalteten Telefonverbindung

Eigentlich wollte mich Jochen doch nur zu seiner Geburtstagsfete einladen. Aber unser Telefongespräch am Donnerstag vergangener Woche entwickelte sich zu einem ausgedehnten Happening mit einigen Unbekannten. Nicht nur, daß sich Musikfetzen von Madonna und Chess in unsere Verbindung mischten; wir bekamen unzählige Mithörerinnen und Mithörer: „Spreche ich mit dem Party-Service?“ will ein Mann unbestimmten Alters wissen. Wir verneinen überrascht, und er legt wieder auf.

Es folgt eine laszive Frauenstimme, die uns auf Englisch begrüßt: „Hello! Willkommen in der dritten Internationalen Sex-Hotline. Wir können über alles sprechen, was du wünscht. Dieses Gespräch wird in englischer Sprache geführt.“ Die Leitung wird leiser und verstummt.

Jochen und ich versichern uns gegenseitig, daß keiner von uns unter akkustischen Halluzinationen leidet. Ein Karatestudio meldet sich, dann eine Männerstimme, die allerdings nach der aussagekräftigen Mitteilung „Oberkiefervollprothese, Unterkieferteilprothese“ fragt und von Musik übertönt wird: Jimi Hendrix.

Danach wieder die Sex-Hotline. Ob wir aus Deutschland anrufen, will die zärtliche Stimme von uns Ahnungslosen wissen. „5000, 6000, das kann doch nicht wahr sein,“ lautet die nicht ganz passende Antwort eines anderen Gastes, dessen Anliegen aber im Dunkeln bleibt.

Wir schauen auf unsere Gebührenzähler. Das beruhigende Ergebnis: sechs Einheiten für das halbstündige Ortsgespräch. Eine junge Frauenstimme will nun wissen, ob sie mit Düren, das in der Nähe von Aachen vermutet wird, oder etwa mit der Karibik verbunden ist. „Hamburg!“ sagen wir, was sie verwundert, sie sitzt doch in Berlin. Sie glaubt, wir wollen sie sexuell belästigen, schließlich hätten wir doch bei ihr angerufen. Haben wir natürlich nicht, aber das kann sie schon nicht mehr hören. Sie verpaßt die Krönung des kuriosen Telefonates, die Konferenzschaltung.

Nach und nach klinken sich Nadine aus Berlin, dann David und Stefan aus Eimsbüttel ein, verstärkt von Bert und einem Spanier. Als wir die vielen aufgeregten Stimmen koordiniert haben, nennt Stefan - oder ist es doch David? - den Schuldigen: „Seit der Schwarz- Schilling zurückgetreten ist, ist es bei der Post noch viel schlimmer geworden.“ David verabschiedet sich. Er will noch ein privates Gespräch führen. Aber der Gott des Telefons schaltet ihn auch beim nächsten Versuch gnadenlos wieder in unsere Konferenz.

So kann es nicht weitergehen, und wir beenden das Gespräch fast schweren Herzens. Werner Hinzpeter