Ein kalter Akt der Verwirrung

■ Mit dem Stück Dreck von Robert Schneider setzt das Thalia-Theater seine antirassistische Kulturarbeit fort

von Robert Schneider setzt das

Thalia-Theater seine antirassistische Kulturarbeit fort

Das Thalia-Theater organisiert von Hamburgs Kulturinstituten mit der größten Energie Bekenntnisse der Solidarität für die vom Fremdenhass Bedrohten. Die Nachdenklichkeit, die mit der Lesung von Peter Weiss' Holocaust-Oratorium Die Ermittlung, mit der antirassistischen Starparade zum Jahrestag der nationalsozialistischen Machtergreifung am 30. Januar, mit Transparenten am Portal oder mit eilig in den Spielplan gehievten Gegenwartsbewältigungen wie Dreck provoziert wird, muß sich allerdings auch auf den Sinn und Zweck derartiger Polit-Kultur beziehen. Intellektuelle Hochgefühle fernab der gesellschaftlichen Reibungspunkte, an denen sich Rassenhass entzündet, vermitteln nämlich sehr schnell das Gefühl, es handele sich hier um kulturelle Gewissensnarkose und weihrauchschwangere Tempelzeremonien.

Mit Ausnahme der Solidaritätskollekte nach den Vorstellungen, wird man den Eindruck einer sozialdemokratischen Matinee-Haltung nicht los, wo Prediger und Bekehrte sich gegenseitig die Schrecklichkeit der Geschichte bestätigen, ohne daß jemals eine konkrete Aktion über den hermetischen Kreis der Gutmeinenden hinaus erfolgt. Auch All-Star-Meetings für politische Kleinst-Nenner-Zwecke, die via TV in die deutsche Gemütlichkeit übertragen werden, haben erfahrungsgemäß die verändernde Wucht von millionenfachem Schulterklopfen. Zu analysieren oder vor Ort gesammelte Erfahrungen zu vermitteln, ist dabei weder möglich, noch wird es ernsthaft in Erwägung gezogen.

So sollte man dann aber doch erwarten, daß ein Theaterstück, das sich Deutschland aus der Sicht eines illegalen Einwanderers vornimmt, wenigstens hier eine differenzierte Beobachtung intelligent verdichtet und sinnlich erfahrbar macht. Doch Autor Robert Schneider und Nachwuchs-Regisseur Wolfram Starczewski wählen einen anderen Weg. Gemeinsam konstruieren sie eine irreale Person, einen irakischen Germanophilen, der in Person Peter Frankes die Erscheinung eines Hamburger Prolls erhält, und dessen innerer Anpassungsdruck ihn zu selbstverachtenden Aussagen der Unterwürfigkeit bewegt. In seinem Monolog (deutlich deutschen Ursprungs) erklärt der Rosenverkäufer Sad sich, stellvertretend für alle Ausländer, für schuldig an den rechtsradikalen Ausschreitungen. Mit einem merkwürdigen Offensivgeist und ungebrochenem Stolz gewinnt er scheinbar Kraft aus der Rollenannahme des unheimlichen Fremden, der dem Deutschen im Wert weit nachsteht.

Mit vielfachen Brechungen und Entsteigerungen Sads bis hin zum rechtsradikalen Agitator schafft das Stück in seinen besten Momenten diffuse Verwirrung, Ahnungslosigkeit und Befreiung von träniger Moralität. In der Künstlichkeit der Figur, die nichts von allem scheint, was sie vorgibt zu sein, wird manchmal die Unfaßbarkeit des Fremdseins auf einer formalen Ebene real. Die Unmöglichkeit der Identifikation führt dann auf ein Niveau der Selbstbefragung.

Dennoch bleibt dies ein kalter Akt, nicht zuletzt, weil der Text viele Schwächen hat, und die Regie

1nur spartanisch formt. Die vielleicht erhoffte Provokation der Darstellung des ganz anderen Ausländers findet keine wirklichen

1Spitzen, bleibt eine Demonstration, die weder Herz noch Hirn richtig in Bewegung setzen kann. Schade. Till Briegleb