„Freihändig für Siemens“

■ Wie der deutsche Computer-Konzern in Bremen hofiert und bedient wird / Teil I

Der Name „Siemens“ hatte einmal einen hoffnungsvollen Klang in Bremen: Damals, als das „Siemens-Hochhaus“ am Herdentorsteinweg noch ganz von dem deutschen Computer-Konzern belegt war und Bremen nicht nur „Außenstelle“ von Hannover.

Damals, 1987, hatte Siemens der Landesregierung höchstvertraulich das Angebot gemacht, „Teile der Softwareentwicklung für Bürokommunikation nach Bremen zu verlagern“, wenn die bremische Verwaltung bei ihrer Ausrüstung mit Computern ganz auf Siemens setzt. Ein gigantisches Hundertmillionen-Projekt über Jahre. Die Mehrzahl der Fachleute auch aus dem Bremer Rechenzentrum fanden damals andere Angebote besser, der Senat entschied aber nicht fachlich, sondern politisch: „Im Sinne des vor

Foto: Katja Heddinga

stehenden Angebotes“, so steht es in Senatsprotollen, sollte Siemens den Auftrag bekommen. Der Konzern habe auch mit dem Abzug aus Bremen gedroht, wenn er den Auftrag nicht bekommen würde, wurde im Senat selbst Druck gegen das Votum der Fachleute gemacht.

„Es stellte sich sehr bald heraus“, mußte der Senat 1989 eingestehen, daß die Bremer Siemens- Leute den Mund etwas voll genommen hatten. „Ausschließlich in der Hauptverwaltung München“ würden derart weitreichende Entscheidungen getroffen. Die Bemühungen der Zweigniederlassung Bremen seien „durchaus anzuerkennen. Im Ergebnis waren sie aber nicht entscheidend.“ Kurz: Bremen entschied sich 1989 für andere Geräte.

Das Thema Siemens und seine Bevorzugung aus „übergeordneten Gesichtspunkten“ blieb aber aktuell, längst hatte Bremens Staatskonzern Hibeg mit Siemens

Siemens-

Hochhaus

gemeinsam eine Tochterfirma „HEC“ gegründet. Eine „Grauzone“ habe sich um die HEC herum gebildet, so schimpfte der Vertreter des Rechnungshofes, Meyer, im vertraulichen Datenverarbeitungs-Ausschuß Ende Oktober 1992. Konkret: Die HEC bekommt den Zuschlag für Millionenaufträge, ohne daß vorher die fachlich kompetenten Gremien gehört werden.

Und das geht zum Beispiel so: Die Bürgerschaft will ihre Anträge und Protolle in einer Computer- Datei speichern. Verschiedene Firmen haben derartige Computer-Archivsysteme entwickelt, die gemeinsame Tochter von Siemens und Bremen, HEC, aber nicht. Die Bürgerschaft beauftragt HEC, das Problem zu begutachten. Für 120.000 Mark erarbeitet die HEC ein Gutachten mit der Quintessenz: Ab besten entwickelt HEC für die Bürgerschaft ein eigenes System. Kosten: 3,4 Millionen. (vgl. taz 6.7.92)

Bei einem anderen Anbieter hätte die Bürgerschaft ein Sechstel der Summe bezahlt.Aber nur so kam die HEC zu einer eigenen Entwicklung, die sie auch anderswo verkaufen kann, spotten EDV- Fachleute.

Ein anderes Beispiel hat der Rechnungshof in seinem Jahresbericht 1992 offiziell moniert: Der Wirtschaftssenator wollte zur Durchführung des Wirtschafts- Aktions-Programms (WAP) ein Computer-System haben. HEC wird beauftragt, ein „Rahmenkonzept“ zu entwickeln. Kostenpunkt: 108.000 Mark. Nach auch in Bremen gültigem EG-Recht hätte das Projekt europaweit ausgeschrieben werden müssen.Aus dem Rahmenkonzept von HEC ergibt sich aber, daß die HEC am besten auch das System liefert. Kosten: 1,6 Millionen. Der Rechnungshof moniert: „Die Behörde hat dann den Vertrag auch selbst abgeschlossen“, ohne die Fachgremien einzuschalten, wie es den Vorschriften entsprochen hätte und wie es notwendig gewesen wäre, um „das Preis-Leistungsverhältnis sachgerecht beurteilen zu können“. Der Rechnungshof verwendet das Wort „Filz“ nicht, sondern spricht vornehm von „freihändiger Vergabe“ des Auftrages an ein „eben erst gegründetes Unternehmen.., an dem Bremen mittelbar zu einem Drittel beteiligt ist.“

Im Jahresbericht 1993 des Rechnungshofes werden möglichweise die Details zu einem anderen Fall stehen: Das System „demos“ für die Informationsverarbeitung der Polizei. Die Ausschreibungsfrist ist Ende November 1992 abgelaufen, die Entscheidung erfolgt 12.Februar 1993.

Nun hat HEC auch in diesem Fall eine kleine Vorarbeit für „demos“ geleistet. Damit hat die Firma nicht nur einen erheblichen Informationsvorsprung vor konkurrierenden Anbietern, sondern konnte auch technische Fakten setzen, die sich im Kleingedruckten der Ausschreibung niederschlagen. Alles sieht also so aus, als laufe der Auftrag auf einen besonders cleveren Anbieter zu: auf die HEC, die Hanseatische Software- Entwicklungs- und Consulting- Gesellschaft mit beschränkter Haftung. K.W.

Fortsetzung: Siemens II oder: „Warum der Uni-Rechner von Siemens gekauft wurde“ folgt am Montag