Ein Buch wie kein Buch

■ Vier Bremer Typografie-StudentInnen wurden für „schöne Bücher“ ausgezeichnet

Glückwunsch: die BremerInnen sind im Wettbewerb „die schönsten deutschen Bücher“ der Frankfurter Stiftung „Buchkunst“ groß rausgekommen: Gleich vier Bücher aus Bremen wurden ausgezeichnet, deren GestalterInnen alle aus dem Bereich Typografie der Bremer Hochschule für Künste (HfK) kommen: Anke Jaaks, Victor Malsy, Ulysses Voelker und Maya da Silva.

Typografie, das heißt: Buchstaben, Schriften, grafische Elemente auf einer Fläche anzuordnen, zu organisieren. Zum Beispiel auf einer bedruckten Buchseite oder einem Schild „Krankenhaus“, einem Werbeplakat, als farbige Flächen oder Zahlen auf einem Lineal: all das ist Typografie.

„Bestimmte Gestalter sind meilenweit erkennbar!“ sagt Eckhard Jung, Typografie-Professor an der Bremer HfK und einst gelernter Zimmermann. In Projekten über mehrere Semester erforschten seine StudentInnen die unverwechselbare Sprache verschiedener international renommierter Gestalter und wollten herauskriegen: „Mit welchem Vokabular, mit welcher Syntax funktionieren diese visuellen Sprachen“? (Jung) Die Erfahrungen in der Branche zeigen, daß eben wegen des Design-Stils bestimmte Auftraggeber in bestimmten, erkennbaren Büros arbeiten lassen. Jung: „Die lassen da schneidern, weil man das dann gut tragen kann.“ Die Ergebnisse des Projekts sollen später in mehrbändigen, natürlich ambitioniert gestalteten Arbeiten in einem Schuber zusammengefaßt werden.

Erstes und jetzt in Frankfurt ausgezeichnetes Produkt dieser Reihe ist das Buch „X — oder: Zimmermann meets Spiekermann“. Frei übersetzt: der Ex- Zimmermann Prof. Jung begegnet Erik Spiekermann, dem Gestalter des renommierten Berliner Design-Büros „Meta Design“. Der HFK-Diplomand Ulysses Voelker hat analysiert und grafisch und typografisch dargestellt, was die visuelle Sprache dieses Erik Zimmermann ausmacht, worin eigentlich seine Rezeptur, sein Wiedererkennungs-Wert, sein gestalterischer Sprachcode liegt.

Das Buch bildet Spiekermanns Design ab — bekannt etwa aus dem „Marlboro-Design-Shop“ — und kommentiert einzelne Bestandteile in jeweils zwei schmalen Textspalten, grau und schwarz, auf deutsch und englisch. Es ist raffiniert ausgestattet. Seine dünnen Blätter entpuppen sich als gefaltete Doppelbögen, deren farbig bedruckte Innenseiten durchschimmern auf die eigentlichen Oberflächen. Natürlich ist der Reiz unwiderstehlich, sie aufzupusten, offenzuhalten, hineinzugucken wie in ein Geheimnis. Innen, das ist die beruhigende Entdeckung, sind bloße grafische Andeutungen versammelt, einige bunte Vorgeschmäcker, Hinweise auf allerlei Kommendes. Man wird es noch genauer sehen! Zu Beginn der Seiten über die von Spiekermann gestalteten Berliner Fahrpläne zum Beispiel („erfrischend undeutsch“) leuchten innen schon einmal die dort verwendeten Kennungen durch, die runde Farbfläche mit dem negativ eingesetzten „BUS“, die Linien- Nummern. Kennzeichen der Spiekermannschen Codes: der Farbbalken mit Negativ-Schrift, vor allem weiß in rot, in Zusammenhängen mit schwarzen und grauen Flächen: So wird mit der Druckfarbe Schwarz durch die Grau-Raster ein kostengünstiger vielfarbiger Eindruck erweckt, „wie überhaupt Negativ- Schrift den Eindruck erweckt, hier sei weiß als Farbe verwandt“. Spiekermannsche Kennzeichen: Fette farbige Ziffern, asymmetrische Seitengliederung mit breitem Text und schmalen Spalten, mit auffälligem Größenkontrast von Bildern; Voelkels Buch benutzt dieses Prinzip. Interessantes Alltags-Beispiel: „Die Deutsche Bundespost bekam Angst vor der eigenen Courage: nach einigen positiven Veränderungen (Spiekermanns Einlieferungsschein und „Antrag auf Kabelanschluß“) verfiel sie wieder in den alten Trott.“ S.P.

Zu bestellen bei: Meta-Design, Bergmannstr. 102, 1000 Berlin 61, DM 30; ISDN 3-929200-01-5