"Amokläufer mit Liedern nicht zu stoppen"

■ Dennoch ein Zeichen der Solidarität: Wolf Biermann singt für Asylbewerber / "Ich habe nur meine Lieder"

singt für Asylbewerber / »Ich habe nur meine Lieder«

„Ich weiß auch keinen Rat“ - mit diesem Bekenntnis begann Wolf Biermann am Samstagabend einen Liederabend vor Asylbewerbern in Hamburg. Biermann ist einer von rund 50 Künstlern, die sich bereiterklärt haben, innerhalb der Veranstaltungsreihe „Eine Nacht in Deutschland“ einen künstlerischen Abend gemeinsam mit Asylsuchenden und Deutschen zu gestalten. „Ich möchte auch keine Zigeuner in meinem Haus aufnehmen oder fünf Container in meinen Garten stellen lassen“, bekannte Biermann. „Ich habe nur ein paar Lieder mitgebracht.“

Unter den rund 150 Zuhörern in der überfüllten Empfangshalle des Allgemeinen Krankenhauses Barmbek befanden sich eine Reihe von Asylbewerbern, die Biermann zuvor persönlich eingeladen hatte. Sie wohnen seit zwei Monaten in einem Containerdorf auf dem Gelände des Krankenhauses. Die Texte konnten allerdings nur die wenigsten der anwesenden Asylsuchenden aus Rußland, der Mongolei, Ägypten oder Rumänien verstehen. Das ist indes, so die Veranstalter von der Else-Lasker-Schüler- Gesellschaft, auch nicht das Ziel der Veranstaltungsreihe. Es gehe vielmehr darum, durch die Veranstaltung ein Zeichen der Solidarität zu setzen.

Die Lieder, die Biermann für diesen Abend ausgesucht hatte, kreisten sämtlich um die Themen Verfolgung, Not und Gewalt. Der Liedermacher zeigte rege persönliche Anteilnahme: Seine eigene Familie wurde von den Nazis verfolgt, sein Vater ermordet. Nicht von ungefähr sagte Biermann, Amokläufer könne man nicht mit Liedern oder Diskussionen stoppen, sondern nur mit Gewalt. An diesem Abend setzte Biermann ein stimmgewaltiges Zeichen des Protestes gegen die Gewalt von Rechts. „Ich bin schließlich keine Hundertschaft der Polizei“, sagte er, „sondern ich habe nur meine Lieder.“

Die Aktion „Eine Nacht in Deutschland“ der Wuppertaler Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft begann am 9. November 1992 mit 16 Lesungen in allen 16 Bundesländern. Sie soll in den kommenden Wochen mit einer Lesung von Günter Grass in Wismar und einer Lesung des Israelis David Schütz in Thüringen fortgesetzt werden. dpa