Undeutsch und unbrauchbar

■ Sascha war 1991/92 Mitglied der Burschenschaft Germania Königsberg. Der taz erzählt er seine Erlebnisse

Undeutsch und unbrauchbar Sascha* war 1991/92 Mitglied der Burschenschaft Germania Königsberg. Der taz erzählt er seine Erlebnisse

Wie bist du mit burschenschaftlichen Kreisen in Berührung gekommen?

Als ich nach Hamburg kam, um zu studieren, kannte ich hier niemanden und suchte dringend eine Wohnung. Da hab' ich mich dann auch auf ein Wohnungsinserat der Burschenschaft beworben.

War dir nicht klar, was sich hinter einer Burschenschaft verbirgt?

Nein. Beim Besichtigungstermin hab' ich dann natürlich gefragt.

Und was wurde dir da erzählt?

Ja, daß sie eben eine Gemeinschaft wären. Der liberalen Idee verpflichtet, und daß alles nicht so schlimm sei, wie man immer hört. Man hat mir dann den Vorschlag gemacht, erst mal drei Monate in der Heimhuder Straße 34 als Keilgast zu wohnen, das heißt, ohne Mitglied zu werden. Bei 180 Mark Monatsmiete hab' ich natürlich zugesagt. Später bin ich dann doch Mitglied geworden.

Weshalb?

Ich denke, das war Gruppenzwang, und die Leute waren ja auch nett, zuerst zumindest. Als Keilgast wurde einem allerdings klargemacht, daß man nicht richtig dazugehört. Die alten Herren haben andauernd auf einen eingeredet.

Was sind das für alte Herren?

Ich kann mich noch an den alten Herrn Bormann erinnern, der ist Direktor an einer Schule. Der hat ständig erzählt, daß die tunesischen Schüler an seiner Schule nur Terror machen würden.

Dagegen hat niemand was gesagt?

Nein. Es gab ja auch unter den anderen Burschen einige, die zwischendurch dummdeutsche Sprüche abließen, aber da hab' ich zum Teil

Nachts dröhnte Goebbels durchs Haus

noch drüber gelacht, weil ich dachte, daß die das nicht ernst meinen. Ansonsten war der Rest doch eher gemäßigt.

Was hat sich daran später geändert?

Als Andreas Mildahn, das „Möpschen“, nach längerer Abwesenheit wiederkam, und gleichzeitig Bernd- Günther Harmann aus Gießen zu uns stieß und auch Hans Speicher nach den Semesterferien wieder nach Hamburg zurückkehrte. Mit den dreien ging's dann bald sehr viel deutscher bei uns zu.

Wie äußerte sich das?

Zum Beispiel kamen Sprüche von Hans, wie „Wo einst eine deutsche Sandale stand, ist nun ewig deutscher Badestrand“. Es kamen dann auch öfter Mitglieder der Germania Hamburg in unser Haus zu Besuch, und das Möpschen, Bernd und Hans haben regelmäßig Gegenbesuche in der Germanen- Zentrale an der Sierichstraße abgestattet.

Haben die anderen Burschen dagegen nicht protestiert. Offiziell wollen die Königsberger Germanen doch mit den rechtsextremen Sierich-Germanen nichts zu tun haben.

Protest gab es nie. Auch nicht, als Bernd eines Abends behauptete, daß die deutschen Grenzen von 1937 die einzigen völkerrechtlich anerkannten seien, das ließe sich juristisch beweisen. Und daß vom Deutschlandlied alle Strophen geschmettert wurden, war ganz normal.

Warum hat sich dein Verhältnis zu deinen Bundesbrüdern später verschlechtert?

Als die hammerharten Sprüche kamen, hab' ich schon meine Meinung gesagt und auch Königsberg weiterhin Kaliningrad genannt. Zumal immer wieder bei uns zu hören war, daß Königsberg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion jetzt deutsche Kolonie sein müßte. Außerdem fand ich es nicht witzig, daß um Mitternacht öfter mal Goebbels-Reden auf voller Lautstärke durch das Haus dröhnten.

Wie ist es dann zum endgültigen Bruch gekommen?

Intern wurde mir vorgeworfen, ich sei „undeutsch“ und später wurde dann ein Antrag auf Ausschluß wegen „Unbrauchbarkeit“ gestellt. Zuletzt haben sie mir noch einen Judenstern an meine Zimmertür gemalt.

Glaubst du, daß deine Erlebnisse ein Einzelfall sind?

Nein. Ich halte Burschenschaften, nach allem was ich erlebt habe, allgemein für recht gefährlich. Die gehen zwar nicht auf die Straße und werfen Brandsätze, aber sie stellen viele der Vordenker.

*Name von der Redaktion geändert

Das Interview führte Sonia Shinde