Karstadt verjagt Berber

■ Wer sich anlehnt, muß gehen: Kunden beklagen sich über den Anblick von Obdachlosen / GAL: Öffentlicher Grund wird privatisiert

: Kunden beklagen sich über den

Anblick von Obdachlosen / GAL: Öffentlicher Grund wird privatisiert

Passanten haben mehrfach beobachtet, wie uniformierte Männer des Sicherheitsdienstes von Karstadt an der Mönckebergstraße Obdachlose verjagt haben. „Sie haben die an dem Gebäude sitzenden Menschen massiv zum Gehen aufgefordert“, erzählt Student Johannes Legien.

Der 23jährige Barmbeker hat sich daraufhin bei der Geschäftsleitung der Karstadt-Filiale beschwert. „Gerade zu Weihnachten sollten die Menschen freundlicher miteinander umgehen.“ Doch Organisationsleiter Dieter Ziske, zuständig für den Sicherheitsdienst, habe ihn nach kurzer Auseinandersetzung aus dem Büro hinausgeworfen. „Ich sagte ihm, daß er die Leute ausgrenzt“, berichtet Johannes Legien den Vorfall. Ziske gegenüber der taz: „Der Herr ist unverschämt geworden.“

Tatsache ist: Die Geschäftsleitung von Karstadt hat den Sicherheitsdienst angewiesen, regelmäßig um den Block an der Ecke Mönckebergstraße/Gerhart-Hauptmann- Platz zu patrouillieren. An dem Gebäude lagernde Stadtstreicher sollen vertrieben werden. „Eine Zeitlang hatten wir Probleme mit größeren Obdachlosen-Gruppen“, sagt Dieter Ziske. Und: „Viele Kunden haben sich deshalb bei uns beklagt.“ Karstadt sorge jetzt dafür, daß Eingangsbereiche und Notausgänge frei blieben. „An der Mönckebergstraße waren die zahlreich herumlungernden Menschen optische Ärgernisse.“ Die Bettler würden in vernünftiger Art und Weise zum Gehen aufgefordert. „Von öffentlichem Grund vertreiben wir sie nicht.“

Die Rechtslage führt zu einer paradoxen Situation: Obdachlose dürfen zwar auf dem Gehsteig bis an das Karstadt-Gebäude heran sitzen, denn genausoweit reicht nach Auskunft des Bauamts der öffentliche Grund. An die Fassade lehnen dürfen sie sich aber nicht. Hier kann der Sicherheitsdienst einschreiten. Die Grenzen zwischen rechtlich erlaubtem Handeln und Amtsanmaßung ist da schnell überschritten. Denn: „Private Sicherheitskräfte haben keine Sonderrechte, wie etwa Polizisten“, erklärt Rüdiger Elwart, Leiter der Verwaltungsabteilung im Bauamt. „Wir werden deshalb überprüfen, was dort mit den Obdachlosen geschieht.“

1Für Volker Nienstedt, Abgeordneter der GAL im Bezirk Mitte, ist die Vertreibung von Berbern nichts Neues. „Die passen nicht ins Weltstadt-Bild.“ Alle möglichen Passagen würden doch schon seit geraumer Zeit „optisch bereinigt“. Auch

1die Wandelhalle am Hauptbahnhof geriet deshalb in die Schlagzeilen. „Natürlich steckt System dahinter“, sagt Volker Nienstedt, „öffentlicher Grund wird zunehmend für Geschäftsinteressen privatisiert.“ Torsten Schubert