Nachschlag II

■ Theaterfest in der Möwe: beinahe schon zu üppig

Das Parnaß-Theater hatte zum Fest geladen. Zum Fest in die „Möwe“, dieses kleine Schmuckstück in der Luisenstraße, das früher mal von der Gewerkschaft Kunst verwaltet wurde und seit Juni vorigen Jahres vom Förderverein „Möwe e.V.“ geführt wird.

Mit der Inszenierung von Sartres „Tote ohne Begräbnis“ im ehemaligen Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen war die Theatergruppe im letzten Sommer an die Öffentlichkeit getreten. Wer nun aber meinte, das Ensemble präsentiere sich am Samstag abend erneut, sah sich enttäuscht. Das Theaterfest geriet zu einem bombastischen Freß- und Saufgelage mit kleinen Pausenfüllern, in denen Gedichte gelesen, Klavier gespielt und kleine Kabarettszenen gezeigt wurden. Welchen Anlaß die gestylten Damen und Herren bei dieser heißen Schlacht am kalten Buffet eigentlich feierten, blieb verborgen. Sie schienen alle nur gekommen zu sein, um Small talk zu pflegen, das Haus zu besichtigen und sich nach bekannter Manier die Teller vollzuladen. Ganz so, als hätten sie seit Tagen nichts zu essen bekommen.

Der Regisseur der Parnaß-Truppe, Rüdiger Meyke, schritt als Gastgeber die Räume ab. Dem Abend einen Rahmen zu geben, die Mini-Veranstaltungen vielleicht so anzukündigen, daß man in jedem Zimmer gewußt hätte, was wann genau beginnt, hielt er nicht für nötig, so daß es dem Zufall überlassen blieb, wer welche Darbietung sah. Und so mutete es dann doch recht merkwürdig an, Chopin zu lauschen – von der Japanerin Atzuko Maeda phantastisch gespielt – und dabei gleichzeitig in zufrieden kauende Gesichter zu blicken.

So ging der Abend den Gang alles Irdischen: Ein Trio aus Tuba, Klarinette und Geige begrüßte mit jiddischer Musik die Ankommenden im Foyer. Aber die drei Musiker waren so ungünstig plaziert, daß sich die Besucher zwischen ihnen durchschlängeln mußten und mit ihrem Ansinnen die Darbietung fortwährend störten. Sehr schade, Georg Schwark, Jakob Drees und Jan Hermerschmidt hätten eine richtige Bühne verdient.

Die Kabarettistin Jutta Krausch fegte als Putzfrau zwischen den vollbesetzten Tischen umher und tat in hessischem Dialekt ihre proletarischen Weisheiten kund. Im kauenden Zwiegespräch mit den Umsitzenden wurde bald klar, daß niemand wußte, was Parnaß eigentlich bedeutet. Die Symbolkraft des griechischen Gebirges, das in der Mythologie Apoll geweiht ist und als Sitz der Musen gilt, wurde zu diesem Fest nicht eingelöst. Sibylle Burkert