Der mit der Uferschnepfe tanzt

■ Vom Ornithologen zum Umweltschutz-Manager: BUND-Geschäftsführer Joachim Seitz

Die einen sammeln Fußballbilder, wenn sie zehn oder zwölf Jahre alt sind, andere erlernen ein Musikinstrument, wieder andere gehen etwas ausgefalleneren Hobbys nach. Joachim Seitz gehört zu dieser letzten Gruppe. Als seine Schulkameraden Jagd auf einen Abzug von Horst-Dieter Höttges machten, setzte Seitz in den Wümmewiesen seltenen Vogelarten nach. „Entdeckerstolz“ packte ihn, als er das erste mal per Fernglas eine Uferschnepfe outete. Seitdem haben ihn die Geheimnisse der Vogelwelt nicht mehr losgelassen.

Heute ist Seitz (41) als Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) professioneller Umwelt-Manager. Sein Einsatz für Naturschutz in Bremen hat ihm in diesem Jahr den Emmy-und-Karl-Kaus-Preis der Stiftung Europäisches Naturerbe eingebracht. Naturschutz in Bremen, im Niedervieland, im Hollerland, in den Wümmewiesen: der Erhalt wichtiger Feuchtwiesengebiete als Brut- und Nistplatz seltener Vogelarten ist u.a. das Resultat seines Engagements.

„Ich habe den Preis auch stellvertretend für alle anderen Umweltschützer in Bremen angenommen“, sagt Seitz. Als er vor zehn Jahren als BUND-Geschäftsführer mit professionellem Umweltschutz begann, waren in Bremen ganze sechs Hektar Naturschutzgebiet ausgewiesen. Heute sind es 1.200 Hektar. Unter Seitz' Einfluß wandelte sich die ehemalige Bremer Naturschutz-Gesellschaft von einer eher naturverbundenen Vereinigung zum Landesverband des BUND mit einem umweltpolitischen Konzept. 950 Mitglieder zählte der BUND-Vorläufer, zwei Drittel davon, so schätzt Seitz, waren über 60 Jahre alt. Mittlerweile hat sich die Zahl auf mehr als 2.000

Joachim Seitz, BUND-ManagerFoto: Jörg Oberheide

Mitglieder erhöht, dreiviertel davon sind jünger als 35 Jahre.

Es blieb nicht bei bloßen Beobachtungen der Vogelwelt. Seitz systematisierte seine Beobachtungen, indem er für jede Vogelart eine Karteikarte anlegte, in die er alle Beobachtungen eintrug. Gleichgesinnte fand er in der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft, das Vogelregister, das hier unter seiner Obhut entsteht, wird später noch von Nutzen sein.

Seitz verläßt nach der Schule

hier foto von dem

jungen mann

Bremen, um in Kiel Volkswirtschaft zu studieren. „Ich wollte Ahnung haben von Politik und Wirtschaft, was immer dann später auch daraus werden sollte“, erzählt er heute. Nach seinem Diplom (1975) betreibt er dann zunächst regionale Wirtschaftsforschung beim Institut für Weltwirtschaft. „So ein Angebot konnte man damals nicht ablehnen“, sagt Seitz, fünf Jahre später aber kündigt er, weil das Institut „zu undifferenziert auf Wachstum der Wirtschaft“ setzte. Für den Vogelfreund schließt sich eine Erlebnisreise der besonderen Art an. Vier Monate lang ist er mit dem Fernglas unterwegs, Südamerika, Amazonas, Galapagos: Riesenechsen, Elefantenschildkröten, seltene Seevögel, sogar die spektakuläre Landung eines Albatrosses konnte er da live beobachten.

Zurück in Bremen beschäftigte den Umweltschützer wieder die heimische Fauna. Für die Uni Bremen kartierte er die heimischen Libellenarten, etwa 40 verschiedene Sorten. Seitz ist auch hier Experte. „Einige kann man im Flug erkennen, andere muß man mit dem Netz fangen. Es gibt Arten, die kann man nur an der Form ihres Geschlechtsapparates erkennen.“

Während dieser Zeit ist Seitz bereits als Vorstandsmitglied der Bremer Naturschutzgesellschaft eingebunden, am 1. Januar 1983 wird er Geschäftsführer des neu getauften BUND-Landesverbandes Bremen. Viele Auseinandersetzungen hat es seitdem gegeben, kleine Erfolge, schmerzliche Niederlagen. „Das Güterverkehrszentrum ist eine der größten Niederlagen, die wir hinnehmen mußten. Wir haben damals schon auf die verkehrlichen Probleme aufmerksam gemacht, aber es war nichts zu machen.“ Nicht an fehlender Unterstützung, sondern an mangelnder Umsetzung in der Administration scheitern die meisten Umweltschutz-Bewegungen. „Das ist das Schwierigste, was wir zu leisten haben: Die Umsetzung von Bewegung in Ergebnisse.“

Seitz ist pragmatisch genug, „nicht hinter Phantomen herzujagen.“ Die Bebauung des Findorffer Viertels Weidedamm III sei „eine ganz bittere Pille“, aber im Gesamtkonzept zur Wohnbebauung unumgänglich. „Wir haben eben Wohnungsnot.“ Punkt. Bei den Gewerbeflächen dagegen werde noch immer „gepraßt“, die Ausnutzung der Flächen sei immer noch unzureichend. Und beim Bau der A 281 durch das Niedervieland mit angebundenem Wesertunnel droht Seitz, das Kriegsbeil auszugraben. „Es kommt die Zeit, da werden wieder Bauplätze besetzt. diese Pläne werden wir nicht hinnehmen.“

Daneben hat der Naturschutz- Manager immer noch Zeit für sein Hobby. Erst in diesem Jahr hat er ein gut 500 Seiten starkes Buch über die Bremer Vogelwelt herausgebracht. „Wenn ich gewußt hätte, wieviel Arbeit das ist, hätte ich es gelassen“, sagt er, und: „So etwas würde ich nicht noch einmal machen.“ Braucht er auch nicht, denn sein Opus ist auf dem Weg, ein Standardwerk der Ornithologie zu werden. „Mit einem echten, ornithologischen Knaller“, wie der Seitz mit „Entdeckerstolz“ verkündet: Auf den Wümmewiesen hat er nämlich erstmals in der rund 200 Jahre alten Geschichte der Ornithologie in Bremen einen Gelbschnabel-Eistaucher entdeckt. Markus Daschner