Tod eines possierlichen Wiederkäuers

■ „Die heilige Kuh“ wurde am 1. Dezember um 22.45 Uhr in West 3 geschlachtet

Mit der 40. Sendung hat es den possierlichen Wiederkäuer also erwischt. Daß man sie als Bildsymbol beim Patentamt schon vor Jahren vorsorglich schützen ließ, hat der „Heiligen Kuh“ im Endeffekt wenig genützt.

Als die WDR-Redakteure Karl Mertes und Johannes Kaul das Magazin 1989 aus der Taufe hoben, wollten sie „ein Stück Unausgewogenheit und Verunsicherung“ proben. Programmatisch unkommentiert ließen sie in der Folgezeit jeweils mehrere Autoren alle möglichen Themen – vom „Großstadthund“ über das „Auto als Lustobjekt“ bis zum „Spiegel“ – aus mehreren Perspektiven aufs Korn nehmen.

Manch heilige Kuh, die da genüßlich geschlachtet werden sollte, war allerdings ohnehin längst mausetot („Lastwagen runter von der Autobahn“), und das avisierte Chaos-Prinzip fiel des öfteren recht halbherzig aus.

Die Gründe für das Kuhsterben liegen allerdings woanders. Denn eigentlich war ihr Sendeplatz seit geraumer Zeit den WDR-Landesprogrammen vorbehalten, und die wollen angesichts ihres Quotenschwunds nun auf diese halbe Stunde am Dienstagabend nicht mehr länger verzichten. So lautet zumindest die offizielle Begründung. Die halboffizielle Version: Da das Magazin auf preiswerte Zwischenmoderationen verzichtete, lag es kostenmäßig über dem, was man gemeinhin für ein Minderheitenprogramm zu später Stunde auszugeben bereit ist. Inoffizielle Version: Die widerspenstige Kuh hatte auf den Chefetagen des Kölner Senders nie eine Lobby.

Die letzte Ausgabe („Gehorsam bis in den Tod“) gehörte nicht unbedingt zu den Highlights des ambitionierten Projektes, machte allerdings noch einmal alle Stärken und Schwächen des Konzeptes deutlich.

Einerseits eine erfrischend disparate, unkommentierte Fülle von Einzelaspekten der Themen (u.a. Dominas, Bundeswehr, Fraktionszwang, abtrünnige Gottesmänner und Struwwelpeter), andererseits – bedingt durch die vielen Autoren – Beiträge von höchst unterschiedlicher Qualität, die oft einfach zu wortlastig ausfielen.

So stand den exquisiten Realsatiren von Herr und Hund ein stockbiederes Porträt eines antiautoritär erzogenen Studenten gegenüber, der sich wahrhaftig zum gelegentlichen Betreten verbotener Rasenflächen bekannte. Doch auch wenn die „Heilige Kuh“ rückblickend nicht immer ein Leckerbissen war: Vieles hätte man verfeinern können, doch sie gleich komplett von der Speisekarte zu nehmen, macht das Fernsehmenü gewiß nicht besser. Reinhard Lüke