„Auch der Fremde steht unter Gottes Schutz“

■ Anschläge auf Touristen sollen ägyptische Regierung treffen; innerhalb der islamischen Opposition stoßen sie auf herbe Kritik

Die „Gamaat al-Islamia“, die „Islamische Vereinigung“, wie sie sich selber nennen, hat die Verantwortung für den Anschlag auf den Reisebus mit deutschen Touristen übernommen. Nach Angaben der libanesischen Zeitschrift Al-Hayat begründeten verhaftete Gruppenmitglieder vor der Staatsanwaltschaft die Anschläge mit dem islamischen Prinzip „Al-Amr bil-Maaruf wan-Nahi an al-Munkar“. Das bedeutet in etwa: „zum Guten auffordern und das Böse verbieten“.

Das „Böse“ sehen sie im Verfall der Moral und in der Korruption, die mit dem Tourismus einhergehe. Schon im August gaben verhaftete Gamaat-Mitglieder zu, daß sich eine ihrer Untergruppen in der Provinzhauptstadt Qena, nicht weit vom Touristenparadies Luxor, auf Attentate gegen Touristengruppen spezialisiert hätte. Nach den neuerlichen Anschlägen der letzten Wochen verurteilten verschiedene islamistische Gruppen öffentlich die Attentate. Der von den Moslembrüdern kontrollierte Berufsverband der Ärzte organisierte bereits vor zwei Wochen eine Veranstaltung zum Thema „Die islamischen Regeln und die Touristenfeindlichkeit“. Tourismus sei eine wichtige Quelle des Nationaleinkommens, heißt es im Abschlußstatement. Außerdem biete er die Möglichkeit, die „islamische Mission“ durch gegenseitiges Kennenlernen weiterzuführen.

Der Tourismus stehe nicht im Widerspruch zum islamischen Recht, der Scharia. Attacken gegen Touristen seien Verbrechen und vom Islam verboten. Es gelte aber auch, einen Tourismus zu schaffen, der von verbotenen Dingen wie Alkoholgenuß und Glücksspiel frei sei und in dem der Tourist die islamischen Prinzipien und Werte respektiere. Einer der bekanntesten Islamisten, Scheich Ghazali, sagte, auch Nichtmoslems stünde in einem islamischen Land eine Sicherheitsgarantie für Leben und Besitz zu. Die Gemeinschaft der Moslembrüder lehnt die Überfälle „nach allen Normen der Scharia und der Menschlichkeit ab“.

Die „Gamaat“ stellen nur ein kleines Minderheitenspektrum innerhalb des islamistischen Lagers dar. Sie entstanden Anfang der 70er Jahre an der Universität der oberägyptischen Stadt Assiut. Waffen und Geld erhielten sie von Mohammed Othmnan Ismael, dem damaligen Gouverneur Assiuts, der außerdem ein enger Vertrauter des damligen Staatspräsidenten Sadat war. Mit Hilfe der Islamisten sollte der Einfluß der Linken an der Universität zurückgedrängt werden. Gouverneur und Gamaat einte das gemeinsame Feindbild: Christen, Juden, Kommunisten.

Die Tragik der Geschichte ist, daß Sadat schließlich selbst Opfer des Geistes wurde, den er rief: Er wurde durch einen von den „Gamaat“ und vom „Jihad Islami“ gemeinsam vorbereiteten Anschlag getötet.

Nach dem Sadat-Mord wurde es zunächst still um die Gamaat. Ihre Führer saßen im Gefängnis. Die Organisation schien zerschlagen. Jedoch im Untergrund vollzog sich eine Neustrukturierung. Ende der 80er Jahre hieß die Devise: Zurück aufs Dorf!

In den armen Dörfern Oberägyptens scharten die „Gamaat“ die „No-Future-Generation“ um sich, erröffneten Kleinunternehmen und Läden und errichteten islamische Regime oder was sie darunter verstanden: Volksfeste wurden als unislamisch verboten, christlichen Kopten, aber auch Muslimen, die nicht zu ihren Anhängern gehörten, wurden Sondersteuern auferlegt, Frauen durften nur noch mit Kopftuch auf die Straße.

Seit Beginn des Jahres ermodeten sie Vertreter des Staates: Polizisten, Bürgermeister, aber auch Christen. Die Angriffe auf Touristen dürften Teil dieser Destabilisierungsstrategie gegen den Staat sein. Karim El-Gawhary, Ivesa Lübben