„Die Streichung bei ABM-Stellen verhindern“

■ Die brandenburgische Arbeitsministerin Regine Hildebrandt zur AFG-Novelle

Der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat befaßte sich gestern mit der umstrittenen Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Der Bundestag hatte das Gesetz am 15. Oktober verabschiedet, ohne Änderungswünsche des Bundesrates zu berücksichtigen. Dieser hatte Kürzungen bei ABM und Eingliederungsleistungen für Aussiedler abgelehnt. Die vom Bundesrat zurückgewiesenen Kürzungen haben ein Volumen von etwa 3 Milliarden Mark.

taz: Frau Hildebrandt, was ist Ihre Hauptkritik an der AFG-Novelle?

Regine Hildebrandt: Es ist eine reine Sparnovelle. Es müssen fünf bis zehn Milliarden Mark eingespart werden, weil die Bundesregierung nicht bereit ist, die Bundesanstalt für Arbeit aus der Staatskasse zu bezuschussen. Deshalb müssen mit den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, die nur von Arbeitern, Angestellten und aus dem Arbeitgeberanteil stammen, jetzt die Massenarbeitslosigkeit und der Strukturumbruch im Osten finanziert werden. Das ist für mich völlig abwegig. Wir brauchen eine solidarische Finanzierung des Strukturumbruchs entweder aus Steuern ober über eine Solidaritätsabgabe.

Welche Punkte wollten Sie im Vermittlungsausschuß rückgängig gemacht sehen?

Was mich am meisten ärgert, sind die Kürzungen bei ABM. Statt 400.000 sollen nur noch 300.000 ABM-Stellen gefördert werden, das sind 100.000 weniger als im Vorjahr. Bei Fortbildung und Umschulung sind es 50.000 Plätze weniger. Das bedeutet, daß wir 150.000 Arbeitslose mehr kriegen. Außerdem verschlechtern sich die ABM-Konditionen erheblich. Künftig sollen auch in den Ostbundesländern die Träger einen Teil der Lohnkosten zuzahlen.

Die Sonderregelungen für den Osten sollen also verlängert werden?

Genau, und auch die Möglichkeit der ABM-Förderung bis zu hundert Prozent der Lohnkosten für schwervermittelbare Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich will außerdem, daß die außerbetriebliche Erstausbildung weiter vom Arbeitsamt gefördert wird. Auch die Altersübergangsgeld- Regelung muß unbedingt verlängert werden.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, im Vermittlungsausschuß noch wesentliche Änderungen durchsetzen zu können?

Ich bin der festen Überzeugung, wir ändern dieses Arbeitsförderungsgesetz noch maßgeblich.

Auch die CDU-regierten Ostbundesländer sind gegen die Verabschiedung der AFG-Novelle in der jetzigen Form. Allerdings wurde im Vorfeld befürchtet, daß die Ostländer umfallen, wenn Zugeständnisse bei den ABM-Stellen gemacht werden. Wie fest geschlossen sind die Reihen?

Die Streichung bei ABM zu verhindern, ist einer unserer gemeinsamen Punkte. Ich bin sicher, daß die Ostbundesländer nicht umfallen, ohne überhaupt etwas erreicht zu haben. Der Druck vom Kanzler auf die Ministerpräsidenten der CDU-regierten Länder ist ganz erheblich. Die Sozialminister auch der CDU-regierten Länder haben aber angekündigt, hart zu verhandeln. Wir wollen für die neu eingeführte Umweltsanierung Ost nach Paragraph 249h eine Finanzierungskonzeption durchsetzen, die es uns ermöglicht, den neuen Paragraphen auch anzuwenden. Die Bundesanstalt für Arbeit bezahlt für arbeitslose Arbeitnehmer, die Umweltsanierungsarbeiten durchführen, etwa 50 Prozent der Lohnkosten. Unser Problem ist jetzt die Komplementärfinanzierung. Mit 50 Prozent Lohn können Sie noch keinen Menschen arbeiten lassen. Sie brauchen die andere Hälfte des Lohns und Sie brauchen Sachkosten. Im Umweltbereich haben wir einen Erfahrungswert von eins zu eins im Verhältnis der Lohnkosten zu Sachkosten. Die Bundesregierung übernimmt also 25 Prozent der Gesamtkosten und wir brauchen eine Kofinanzierung für die 75 Prozent. Dafür wollen wir uns im Vermittlungsausschuß noch mal mit Nachdruck einsetzen. Denn wir brauchen diese Maßnahmen unbedingt.

In der Schweriner Erklärung haben die Ostbundesländer angekündigt, eigene Vorschläge für eine Strukturreform des AFG vorzulegen. Wie sehen die aus?

In der Schweriner Erklärung waren wir uns einig, daß dies nicht in dieser AFG-Novelle erfolgen sollte, sondern in einer weiteren Novelle. Wir fordern z.B., daß Frauen bei der Arbeitsförderung entsprechend ihrem Anteil an der Arbeitslosigkeit zum Zuge kommen sollen. Bei ABM beträgt der Frauenanteil zwischen 46 und 47 Prozent, der Anteil der Frauen an der Arbeitslosigkeit lag im Oktober 92 jedoch bei 64,2 Prozent.

Wie könnte das Förderrecht für Frauen verbessert werden?

Zum Ausgleich der Benachteiligung muß eine Quotierung für Frauen festgeschrieben werden. Und Sie müssen Programme auflegen, die Frauen-ABM überhaupt ermöglichen. Wenn wir jetzt das Programm zur Umweltsanierung Ost auflegen, können Sie sich vorstellen, daß da der Männeranteil deutlich höher sein wird. Interview: Dorothee Winden