Stimmen im Knast

■ „Glaubenszeichen“, 22.15 Uhr, MDR

Zwei Männer treffen sich an einem Ort, an dem sie vor fünfunddreißig Jahren schon einmal gewesen sind. Beide aus ähnlichen Gründen, beide zur selben Zeit; damals, ohne voneinander zu wissen. Der Ort, den sie 1992 gemeinsam noch einmal aufsuchen, ist das Untersuchungsgefängnis in Leipzig. Ein Schriftsteller und ein Theologe gehen durch die schlecht beleuchteten Gänge, zögern, die Vernehmerzelle zu betreten. Ihre Worte sind schwer zu verstehen. Das liegt nicht an der Tonqualität, in diesen bedrückenden Räumen klingen die Stimmen anders.

Erich Loest und Georg-Friedrich Schmutzler erzählen in knappen Sätzen über die hier verbrachte Zeit. Berichten über ihre Ängste, ihre Hoffnungen und über das, was ihnen Kraft gab. Loest, der Atheist („Ich bin nicht Atheist, sondern Untheist“, sagt er über sich) und Schmutzler, der über die Pädagogik zur Theologie kam und vor seiner Verhaftung an der dem Untersuchungsgefängnis gegenüberliegenden theologischen Fakultät lehrte, kommen im Rückblick zum selben Fazit: die Monate hier – und die folgenden Haftjahre – waren schrecklich und manchmal schwer zu ertragen, aber sie haben auch etwas bewegt. Der Christ: „Viele Bibeltexte, die uns geläufig sind, sprechen erst in solchen dunklen Situationen wirklich zu uns.“ Erich Loest: „Menschen mußten begreifen, daß man mit anderen Menschen nicht so umgehen kann. Es geschah in diesem Fall auf meine Kosten, aber das spielt nun keine Rolle mehr.“

Der halbstündige Film „Geheiligt werde Dein Name“ ist der erste einer siebenteiligen Gemeinschaftsproduktion von MDR und ORB, in der Schriftsteller dazu aufgefordert wurden, ihre Gedanken zu den sieben Fürbitten des Vaterunser zu äußern. Michael Knof und Eberhard Görne (er ist begleitender Dramaturg und Initiator dieser Reihe) ist ein stiller unaufwendiger Auftakt gelungen, in dem Bilder und Sprache der Befragten eine anhaltende Spannung erzeugen. Am Ende bleibt leider ein Mangelgefühl: Man würde gern weiter zuhören und zusehen.

Der Regisseur Michael Knof läßt Loest und Schmutzler erzählen, ohne selbst in Erscheinung zu treten. Knof (Jahrgang 49) führte bereits beim ehemaligen DDR- Fernsehen Regie. Er hat Doku- und Spielfilme gedreht, war nie SED-Mitglied und gehörte fünfzehn Jahre lang zu dem kleinen Kreis kritischer und oftmals angefeindeter Regisseure. Ebenfalls für den MDR bereitet er jetzt einen „Polizeiruf 110“ vor. Sibylle Burkert