Dauerkrise der SPD

DEBATTE

Dauerkrise der SPD

In den letzten drei Monaten habe ich fast jeden Tag damit gerechnet, daß entweder die Bild-Zeitung oder der Weser-Report mit der Schlagzeile erscheint: „Nutten bringen Ampel-Senat zu Fall“. Tatsächlich trugen die politischen Ereignise rund um den Drogenstrich die typischen Zäge einer Bremer Provinzposse: Nicht wie jeder und jede erwartet hatte an den harten inhaltlichen Streitfragen zwischen Grünen und Wirtschaftsliberalen aus der FDP um Gerwerbeflächen, Weservertiefung und Gymnasien, sondern an den „Banalitäten“ des Alltags drohte die Ampel zu scheitern.

Doch das, was als Krise der Koalition durch die Medien geisterte, ist in erster Linie eine Krise der SPD, auch wenn diese nach Fraktionsklausur und Landesparteitag den Eindruck von eitel Sonnenschein vermitteln möchte. Der seit der Wahl angeschlagene SPD-Tanker schaukelt schon seit Wochen wie ein Geisterschiff zwischen Bremen und Bremerhaven rauf und runter und hat sich zum schwächsten Kettenglied der Koalition entwickelt. 40 Jahre lang hat diese Partei die politischen Strukturen in dieser Stadt bestimmt und ihre Politik wie Zement über Bremen gegossen, so daß fast alles daran kleben blieb.

Schon seit langem lebt die SPD nicht mehr von ihrem einstigen Millieu in den Arbeiterwohnbezirken, sondern von der selbst geschaffenen Zementstruktur. In ideologische Richtungskämpfe verstrickt, programmatisch ausgezehrt und in Hunderte von partikularistischen Interessen- und Karrieregruppen zerfallen, präsentiert sich die stärkste Regierungspartei ohne innovative Köpfe und neue Ideen.

Der Zustand der SPD schürt nicht nur die Politikverdrossenheit, er ist auch ein Verlust für die Demokratie. Bremen braucht eine politische Kraft wie die SPD, die in der Lage ist, die sozialen Interessen der Gesellschaft angesichts härter werdender Verteilungskämpfe zu vertreten. Doch eine Demokratie lebt vom politischen Wechsel, und programmatische und personelle Erneuerungsfähigkeit und Führungskraft können oft erst wieder aus der Oppositionsrolle erwachsen.

Insofern sind 40 ununterbrochene Jahre an der Macht ein Pyrrhussieg gewesen. Das Ergebnis der letzten Wahl war im Grunde wie das Menetekel an der Wand, und spät rächt sich, was nach der Wahl versäumt wurde: Eine ernsthafte politische Aufarbeitung der Altlasten, eine personelle Erneuerung an Haupt und Gliedern und eine Standortbestimmung in dem sich neu formierenden Kräftefeld nach der deutschen Einheit.

Die Versuchung, sich aus der gegenwärtigen Krise mit einem Befreiungsschlag zu lösen, ist groß. Die Koalition der Verlierer in der SPD hat bereits die Messer gewetzt, um dem zur Zeit führungsschwachen und kraftlosen Präsidenten des Senats, mit dem sie noch eine alte Rechnung zu begleichen haben, einen ehrenvollen Abgang zu verschaffen, bevor sie mit der CDU das Bremer Regierungsboot übernehmen.

Zwei Fragen bereiten den Umstürzlern noch Kopfzerbrechen: Wer sagt es der Partei und wer wird neuer Kaiser? Nach seinem fulminanten Auftritt beim vorletzten SPD-Landesparteitag scheint für die erste Aufgabe Koschnick ausgeguckt worden zu sein. Wer sonst könnte die Partei in diesem Spagat einstimmen? Nur einen Kaiser hat man noch nicht gefunden.

Für die politische Kultur und Glaubwürdigkeit der Politik in Bremen wäre die große Koalition entgegen der von vielen gehegten Hoffnungen auf besseres Regierungsmanagement, ein weiterer Niedergang. Die SPD würde einmal mehr die Chance versäumen, sich aus der Opposition heraus grundsätzlich zu erneuern und wieder zu einer Kraft mit neuen politischen Impulsen für Bremenn zu werrden. Stattdessen werden die Drahtzieher des absehbaren Putsches aus der SPD und die in den Startlöchern stehenden Politiker aus der CDU ihre reichhaltigen Erfahrungen im Organisieren des politischen Filzes einbringen. Eine große Koalition aus dieser Melange wäre das Gegenteil von politischem Neuanfang für Bremen. So beschämend es ist, aber sollte dies die Alternative sein, dann würde ich sogar noch eine schwarze Ampel vorziehen. Die Sache hat nur einen Haken: Die Bremer CDU hat keine Biedenköpfe und Eggerts. Also bleibt den Grünen und FDP nichts anderes übrig, als aktives Krisenmanagement zu betreiben, wenn sie die Ampel retten wollen. Lothar Probst, Uni Bremen