„Ich will keinem den Kopf abhacken“

■ Interview mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis

taz: Hat sich Justizminister Hans-Otto Bräutigam schon mit Ihnen in Verbindung gesetzt?

Ignatz Bubis: Nicht mit mir persönlich, aber mit dem Leiter unseres Berliner Büros, Herrn Fischer. Der Justizminister hat darauf verwiesen, daß die Zurückhaltung der Information über den Brandanschlag in seinen Zuständigkeitsbereich fällt. Er sagte, es hätte eine Panne bei der Staatsanwaltschaft gegeben. Er habe nicht die Absicht, deswegen personelle Konsequenzen zu ziehen.

Können Sie das akzeptieren?

Ich möchte nicht gleich Konsequenzen fordern. Viel wichtiger ist mir, daß daraus Lehren gezogen werden. Ich möchte jetzt keinem den Kopf abhacken. Die Lehre müßte sein, daß in ähnlich gelagerten Fällen künftig die Öffentlichkeit umgehend informiert werden muß. Es darf in der Öffentlichkeit nicht der geringste Anschein entstehen, daß irgend etwas vertuscht werden soll.

Als Begründung für die Nachrichtensperre werden von Bräutigam „ermittlungstaktische Gründe“ angegeben. Er hat das bereits selbst als „grobe Fehleinschätzung“ bezeichnet. Jeder Kriminalist erklärt: In diesem Fall macht eine Nachrichtensperre ermittlungstaktisch gar keinen Sinn. Was glauben Sie, was der Grund für diese Nachrichtensperre war?

Ich weiß immer noch nicht, ob diese Nachrichtensperre nicht in Wirklichkeit mit dem Besuch der englischen Königin zusammenhing. Vielleicht wollte man die Queen an diesen Tagen nicht mit dieser Nachricht überraschen, weil die englischen Zeitungen wegen der Eierwerfer in Dresden schon übertrieben voll waren – ich sage ganz bewußt: übertrieben voll. Möglicherweise war es auch nur eine total falsche Bewertung der Situation, weil die Staatsanwaltschaft glaubte, sie könne freier ermitteln, wenn sie die Nachricht zurückhält.

Halten Sie die Sicherungsmaßnahmen bei Gedenkstätten in Deutschland für ausreichend?

Solche Gedenkstätten sind zum Teil nur sehr schwer zu sichern. Manchmal mag eine hundertprozentige Sicherung nicht möglich sein. Ich erwarte aber, daß es überall eine deutliche öffentliche Präsenz von Sicherheitskräften gibt. Die Sicherung muß sichtbar sein. Interview: CC Malzahn