Ravensbrück-Affäre: Prügel für den Staatsanwalt

■ Justizminister Bräutigam rügt Staatsanwaltschaft wegen Nachrichtensperre „Grobe Fehleinschätzung“ der Behörde/ CDU-Chef Fink fordert Konsequenzen

Berlin (taz) – Die brandenburgische Landesregierung will heute eine Erklärung zur Affäre um die späte Bekanntgabe des Anschlags auf die KZ-Gedenkstätte Ravensbrück abgeben. Justizminister Hans Otto Bräutigam äußerte sich bereits gestern auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Der parteilose Minister gab der Potsdamer Staatsanwaltschaft die Schuld für die verspätete Information der Öffentlichkeit. Er habe den Generalstaatsanwalt und den ermittelnden Staatsanwalt am Montag „telefonisch gerügt“, sagte Bräutigam. Zu personellen Konsequenzen sieht der Justizminister bisher „keinen Anlaß“. Einen Zusammenhang mit dem Queen-Besuch dementierte er: Es sei nie seine Absicht gewesen, etwas zu vertuschen.

Der Landesvorsitzende der brandenburgischen CDU, Ulf Fink, hat von Justizminister Bräutigam „Konsequenzen gegenüber den Personen“ gefordert, „die das wissentlich falsch eingeschätzt oder verschwiegen haben“ – so Fink gegenüber der taz. Der Christdemokrat hält sich zur Zeit auf dem Bundesparteitag der CDU in Düsseldorf auf. Es gebe nur einen Grund, eine solche Nachricht zurückzuhalten: „Wenn polizeitaktische Überlegungen das rechtfertigen.“

Die gab es aber ganz und gar nicht – wie auch Justizminister Bräutigam gestern einräumen mußte. Die Staatsanwaltschaft habe den Vorfall offenbar wegen Behinderung der Ermittlungsarbeiten nicht veröffentlichen wollen. Diese Überlegung nannte Bräutigam gestern eine „grobe Fehleinschätzung“. Der Polizeipräsident von Oranienburg, Peter Kirmße, hatte der Staatsanwaltschaft wegen der Nachrichtensperre indirekt Verschleppung der Ermittlungen vorgeworfen, da der Anschlag nicht publik gemacht worden war. Aus diesem Grund seien nur wenig Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen.

Bräutigam sagte weiter, seine Behörde habe die Staatsanwaltschaft am vergangenen Mittwoch gebeten, den Anschlag über eine Presseerklärung bekanntzugeben. Dieser Bitte sei aus „unverständlichen Gründen“ nicht gefolgt worden. Die Fraktion des Bündnis 90 hat den Vorgang gegenüber der taz gestern als „Blamage“ bezeichnet. Es sei peinlich, wie mit dem Vorfall umgegangen worden sei, sagte die Sprecherin der Landtagsfraktion, Kathrin Blum, auf Anfrage. Ob das Bündnis 90 über eine Anfrage im Parlament Licht in die dunkle Affäre bringen will, entscheidet sich heute auf einer Sitzung des Fraktionsvorstandes. Der SPD- Landeschef Steffen Reiche forderte „energisch die rückhaltlose Aufklärung“. Der Gesamtverlauf des Vorgangs sei „merkwürdig“, sagte er der dpa. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Detlev Kirchhoff, bezeichnete die Nachrichtensperre dagegen als „politischen Skandal“. Die PDS- Fraktion warf der Regierung Stolpe vor, sie habe das Ereignis „totschweigen“ wollen.

Nach Angaben des Regierungssprechers Thomas Erhard hat Manfred Stolpe mal wieder von allem nichts gewußt. Beim Presse- und Informationsamt der Landesregierung seien keine Informationen über den Anschlag eingegangen. Für Hinweise zur Ergreifung der Täter hat Bräutigam gestern eine Belohnung von 20.000 Mark ausgesetzt. CC Malzahn