Haben Sie das schon mal gesehen?

■ Eine Runde durch das fast fertiggestellte Kongreßzentrum / Durchaus geplantes Chaos

Um Himmels Willen, was ist das denn nun wieder? Klebt da an der Balustrade der Logen und sieht aus wie der Hinterreifen eines Mountain-Bikes. Und diese riesige Stahlkugel? Droht abzustürzen und Treppenbenutzer zu erschlagen. Und da: Alumiumstangen, völlig unsymmetrisch in die Gegend gehängt. Überraschungen, wohin das Auge schweift.

„Diese Architektur ist chaotisch“, sagt der, der für das Chaos verantwortlich zeichnet. Seit drei Jahren feilt der Bremer Architekt Thomas Klumpp an dem Riesenbau herum, und offensichtlich hat er immer noch so viel Spaß daran, daß er mit Händen und Füssen und ununterbrochen erzählen mag. Bald ist es geschafft. Am 31.12. wird Maritim das Gebäude übernehmen, und dann soll das Kongreßzentrum eine neue Attraktion für Bremen werden.

Eine Attraktion, die sich die Stadt viel Geld hat kosten lassen. 50 Millionen, so lautete die Summe, mit der 1987 die Planungen begonnen wurden. Zwei Jahre später wurde alles umgeworfen. Eine andere Konzeption mußte her, die statischen Berechnungen erwiesen sich als nicht tragfähig. Und plötzlich, die politischen Gremien hatten es gar nicht so recht gemerkt, war die Summe, mit der geplant wurde, auf 99 Millionen angestiegen.

„Einen Mercedes bekommt man eben nicht zum Preis eines Volkswagens“, sagte das Rathaus. Aber auch zum Preis des metaphorischen Mercedes ist das Kongreßzentrum letztlich nicht zu haben gewesen: Inzwischen wird mit einer Endsumme von etwas über 130 Millionen kalkuliert, die Millionen für ein noch zu bauendes Parkhaus nicht eingerechnet.

Nein, mit dem Bild vom Mercedes kann auch Architekt Klumpp nicht viel anfangen. Ein Mercedes, der kommt schließlich vom Band. Hier im Kongreßzentrum, da ist fast alles speziell und von Hand gefertigt: von den Teppichen bis zu Beleuchtung, den Rundungen am Geländer bis zu den Tapeten. Klumpp sucht aus, kontrolliert, kümmert sich um alles. In Rücksprache mit der Betreiberin Maritim, versteht sich. „Aber die lassen den Architekten arbeiten, das ist erstaunlich.“

Dafür soll der Bau dann auch das „Flaggschiff“ der Maritim- Kongreßzentren in der Bundesrepublik werden. Kein 08/15-Kasten, nicht diese endlosen Rolltreppen wie in Hamburg. Das Bremer Kongreßzentrum soll ein „unverwechselbares Design“ haben, sagt Klumpp, daran sollen sich BesucherInnen auch nach fünf Jahren noch erinnern.

Die Ausgangsbedingungen für die Planung waren denkbar schwierig. Die Vorgabe war, eine Konstruktion zu finden, die den Stadthallenkomplex und das Kongreßzentrum beliebig miteinander kombinierbar macht. Und da war der alte, dominante Stadthallenklotz, dem ein architektonische Gegengewicht an die Seite gestellt werden mußte.

Klumpp beschreibt seine Lösung mit Understatement als „einfache Industriehalle mit schönen Details“. In der Beschreibung des Projektes liest sich das so: „Die Konzeption sieht eine hohe lichte Halle vor, in der der Innenraum inszeniert wird: Säle, Tagungsräume und Foyerarkaden werden wie Möbel in die großzügige Halle gestellt.“ Und Säulen. Wie schon bei der Nachbesserung im Eingangsbereich der Stadthalle, die ebenfalls von Klumpp verantwortet werden, beherrschen Säulen als ruhiges Element den gesamten Foyerbereich.

Vom Foyer aus geht es in den großen Saal. Knapp 2.000 Menschen finden hier bei Konzerten, Theateraufführungen, Tanzveranstaltungen oder ähnlichen Festivitäten Platz. Hier hängt das Mountain-Bike in einer der Logen, die wiederum an Hausfassaden erinnern. „Das soll den Menschen an seine Umwelt erinnern“, sagt Klumpp, der sich überhaupt einiges hat einfallen lassen, um den Bau mit ein wenig Philosophie zu bestücken.

Einen kleineren Raum hat er zum Uhrenzimmer gemacht. Auf dem Teppichboden lauter kleine Uhren, an der Wand, riesige kreisrunde Spiegel, an denen Zeiger angebracht werden, die die dort Beratenden zum Spielen animieren sollen. „Das Ganze soll auch ein bißchen Witz haben und die Menschen berühren“, sagt Klumpp.

Und diese scheinbar so instabile Stahlkugel, die soll daran erinnern, „daß wir in unruhigen Zeiten leben.“ Und die zahllosen Spiegel die in immer anderen Formen die kleineren Beratungsräume bestimmen, die sieht Klumpp als „Unendlichkeit des Spiegels gegen die Endlichkeit der Zeit.“

17 Säle sind es so insgesamt geworden, keiner dem anderen ähnlich. Und was der Architekt vielleicht vergessen hätte, daran hat im Zweifelsfall „Maritim“ gedacht: Wie an den Lastenaufzug, der unbedingt so konzipiert werden mußte, daß ein Mercedes 600 hineinpaßt, damit der im Bedarfsfall dann auch auf die Bühne des großen Saals gebracht werden kann.

Und auch Handwerker oder Ingenieure bekamen manchmal das Grausen bei Klummps Wünschen. Zum Beispiel bei der Hängebrücke, die Klumpp partout haben wollte, um einen Zugang zum gläsernen Fahrstuhl zu haben. „Das machen Sie erst mal einem Statiker klar.“

Trotz der unverwechselbaren Handschrift: „100 Prozent erreicht man nie.“ Obwohl er eins, wie er glaubt, dann doch erreicht hat: Ein individuelles Zentrum, eines, von dem die BesucherInnen später mal anderen erzählen werden: „Waren Sie schon mal in Bremen? Und haben sie das schon mal gesehen?“ hbk