Ermittler fordern schärfere Gesetze

■ CDU-Expertenhearing zur Organisierten Kriminalität/ Warnung vor „italienischen Verhältnissen“ in Berlin

Berlin. Weitgehende Übereinstimmung und Harmonie demonstrierten gestern hochrangige Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft bei einem „Expertenhearing“ der CDU zum Thema Organisierte Kriminalität. Geladen waren unter anderen der frischgekürte Polizeipräsident Hagen Saberschinsky, Vizepräsident Dieter Schenk, der Generalstaatsanwalt beim Landgericht, Joachim Heinze, sowie die LeiterInnen der für Organisierte Kriminalität zuständigen Staatsanwaltschaftsabteilungen, Fätkinhäuer und Diederichs.

Einig war man sich darin, daß mafiose Strukturen in Deutschland auf dem Vormarsch seien und das bestehende Instrumentarium der Ermittlungsbehörden zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität nicht ausreiche. Die Forderung: Das unlängst vom Bundestag verabschiedete „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ (OrgKG), das den kleinen Lauschangriff der Polizei in öffentlichen Räumen legitimiert, müsse auch auf Privaträume (der sogenannte große Lauschangriff) erweitert werden. Ferner müßten verdeckte Ermittler Straftaten begehen dürfen, weil ihr Einsatz sonst wirkungslos sei. Außerdem wünschte man sich eine Umkehr der Beweislast, Verbesserung des Zeugenschutzes und eine Vorverlagerung der Verteidigerrechte. Mit letzterem soll verhindert werden, daß Verteidiger die Strafprozesse „verschleppen“, wie der rechtspolitische Sprecher der CDU, Andreas Gram, es nannte.

Staatsanwalt Fätkinheuer warnte davor, daß in Deutschland mafiose Zustände wie in Italien einkehren und die Politik und Wirtschaft untergraben werde, wenn die Befugnisse der Ermittlungsbehörden nicht drastisch erweitert würden. Das OrgKG und die strafprozessualen Maßnahmen bedürften dringender Korrekturen, auch das Strafvollzugsgesetz müsse überdacht werden. Innenstaatssekretär Armin Jäger (CDU) sprach davon, daß die Ressourcen von Polizei und Staatsanwaltschaft ausgeschöpft seien. Die Arbeit der Ermittlungsbehörden sei dadurch behindert, daß der „Zielkonflikt“ zwischen dem Datenschutz und dem „Schutz der Öffentlichkeit“ nicht gelöst sei. Die Individualrechte des einzelnen Bürgers und der Datenschutz müßten zum Schutze des Gemeinwohls zurücktreten, forderte Jäger.

Der Generalstaatssekretär beim Landgericht Heinze war gleichfalls der Meinung, daß das bestehende Instrumentarium zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität nicht ausreiche, wenngleich die gesetzlichen Weichen richtig gestellt seien. Polizeipräsident Hagen Saberschinsky forderte, „die Hemmnisse“ für den Einsatz der verdeckten Ermittler und den Lauschangriff, sprich, den Richtervorbehalt, aus dem Weg geräumt werden müßten. Nach dem momentan geltenden OrgKG müssen der Einsatz der verdeckten Ermittler und der kleine Lauschangriff richterlich genehmigt werden.

Sein Stellvertreter, der Polizeivize Dieter Schenk, warnte davor, das „brisante Thema zur Auseinandersetzung zwischen den politischen Lagern zu machen“. Nur mit einem „Konsens“ könne dem Phänomen Organisierte Kriminalität begegnet werden.

Die allgemeine Harmonie wurde nur durch einige Seitenhiebe des CDU-Abgeordneten Gram gegen die abwesende Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) getrübt. Er warf der Senatorin vor, die zunehmende Bedrohung durch die Organisierte Kriminalität zu verkennen. Gleichzeitig prangerte er an, daß die Staatsanwältin Diederichs, die eine der drei Abteilungen für Organisierte Kriminalität leitet, in das Ressort Vergewaltigungsdelikte versetzt werden soll.

Diederichs griff den Hinweis sichtlich dankbar auf und verwahrte sich gegen die Versetzung in das intern als „Schmutzabteilung“ bezeichnete Vergewaltigungsressort, weil sie sich zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität unerläßlich fühle. Der Generalstaatsanwalt Heinze verwahrte sich jedoch entschieden gegen die Behauptung, Diederichs werde fehleingesetzt. „Eine Vielzahl von Gründen hat mich und nicht Justizsenatorin Limbach zu dieser Entscheidung bewogen, über die ich hier aber nicht öffentlich sprechen will.“ Der CDU Abgeordnete Gram drohte daraufhin damit, das Thema Diederichs im Rechtsausschuß auf die Tagesordnung zu bringen. Grams Fazit des Hearings: Die Berliner CDU werde sich zum Vorreiter für eine Bundesratsinitiative zur Verschärfung des OrgKG machen. plu/ste