Politlärm um Nachtruhe

■ Jäger möchte alleine entscheiden, Fücks will mitreden

Bis Ende Oktober soll Klarheit sein. Und die Frage, um die es da dreht, hat Auswirkungen bis in die Betten zehntausender Einwohner in der Neustadt, Obervieland und Stuhr: Von wann bis wann sollen die Anrainer des Flughafens künftig schlafen dürfen?

Fragestellerin ist die Hapag- Lloyd-Fluggesellschaft, die beim Wirtschaftssenator den Antrag eingebracht hat, das Rollfeld im Neuenland künftig auch nach 22.30 nutzen zu dürfen. Bislang ist die Nachtruhe von 22.30 bis 7.00 Uhr geschützt. Jetzt sollen die Düsenjets auch mitten in der Nacht landen dürfen, vorausgesetzt die Luftverkehrsunternehmen haben in Bremen einen „Schwerpunkt ihres Wartungsbetriebes“, was immer das auch ist.

Jetzt streiten das Wirtschafts- und das Umweltressort darüber, wer letzlich über die Nachtruhe entscheiden darf. Geht es nach Wirtschaftssenator Claus Jäger, dann ist sein Ressort alleine zuständig. „Der Wirtschaftssenator wird dem Senat mitteilen, wie er entschieden hat“, meinte gestern Jägers Sprecher Dirk Petrat. Nach Auffassung Jägers ist das Ressort nach dem Luftverkehrsgesetz alleine zuständig, solche Anträge zu entscheiden. „Es entscheidet nicht die Landesregierung, sondern das einzelne Ressort“, meinte Petrat. Diese Auffasung will Jäger seinen Senatskollegen jetzt in einem Brief mitteilen. Wie eine solche Entsscheidung aussehen würde, scheint klar. Zwar müssen erst noch die Bedenken der Anwohner und Beiräte abgearbeitet werden, doch Jäger hat in der bisherigen Diskussion keinen Zweifel daran gelassen, daß er einer Ausweitung des Flugbetriebes positiv gegenüber steht.

Umweltssenator Ralf Fücks dagegen hat völlig andere Vorstellungen darüber, wie die Entscheidung getroffen werden soll. „Wie in Sachen Hemelinger Marsch hat sich der Senat vorbehalten, selbst zu entscheiden“, meinte Fücks gestern. Sein Hauptargument: Im Zusammenhang mit der Verlängerung der Startbahn habe der Senat einen Senatsbeschluß ganz anderen Inhalts gefaßt. „Da kann der Senat nicht zulassen, daß sich ein einzelnes Ressort darüber hinwegsetzt.“

In einem Brief an den Wirtschaftssenator hat der Fücks unterstellte Lärmschutzbeauftragte eine ganze Reihe von Einwänden gegen die „Änderung der Flugbeschränkungszeiten“ aufgelistet. Die ungestörte Nachtruhe der Wohnbevölkerung habe den Senat seinerzeit veranlaßt für den MBB-Transporter die Startbahn um 2 X 300 Meter zu verlängern. Jetzt aus anderen Gründen eine Auweichung des Nachtflugverbotes einzuleiten, widerspräche eindeutig einer solchen Position.

Auch von der Argumentation, daß nur sogenannte „Flüsterjets“ den Flughafen auch nach 22.30 Uhr anfliegen dürfen, hält der Lärmschutzbeauftragte nichts. Es sei nach wie vor ungeklärt, wie manche Maschinen in den Genuß des Zertifikats „lärmarm“ kämen, da Lärmaufzeichungen ergeben hätten, daß dies nicht gerechtfertigt sei.

Auch bezweifelt der Lärmbeauftragte, ob Hapag-Lloyd die Verlängerung der Betriebszeit tatsächlich braucht. Aus dem Flugplan für das Winterhalbjahr 1992/93 gehe hervor, daß die Abwicklung des Flugbetriebes durchaus zu den heutigen Zeiten möglich sei. Aus all diesen Gründen will der Fluglärmbeauftragte dem Antrag nicht zustimmen.

hbk