„Schnauze voll vom Ballern“

■ Substitutionswillige Junkies suchen Ärzte, die ihnen Methadon verschreiben

„Seit ich im Krankenhaus bin, bekomme ich Polamidon“, erzählt Karin. „Aber wenn ich in vier Wochen rauskomme, muß ich zusehen, daß ich das vorher auf Null setze, weil ich das draußen bestimmt nicht mehr kriege.“ Im Knast in Oslebshausen hat Karin schon mal Polamidon bekommen. Als sie rauskam, war sie drei Monate clean, sagt sie. „Wir hatten die Schnauze voll vom Ballern“, meint ihre Freundin.

Dann kamen die beiden wieder drauf und wollten substituieren, „aber ich habe über Wochen und Monate keinen Arzt gefunden, der mir Pola verschreibt.“ Auch Klaus hat die Suche nach einem Arzt, der ihm Pola verschreibt, aufgegeben, nachdem er „ein paar Ärzte abgeklappert hatte“. Viele werden gleich von der Sprechstundenhilfe abgewiesen, sagen die Junkies. Andere Ärzte weisen sie ab, weil sie schon zuviele Substiuierte in Behandlung hätten. „Wenn es mehr Ärzte gäbe, die das ausgeben, würde über die Hälfte der Junkies umsteigen“, schätzt Klaus.

„Immerhin gibt es hier Pola“, sagen die Junkies im St-Jürgen- Krankenhaus. Viele von ihnen haben sich lange nicht ins Krankenhaus getraut, weil sie Angst vor dem turkey hatten.

Im St.-Jürgen-Krankenhaus werden Drogenabhängige seit 1985 während der Behandlung subsituiert, häufig können sie danach ins Polamidon-Programm vermittelt werden.

Nicht alle Bremer Krankenhäuser setzen die Drogenabhängigen, die wegen Abszessen oder Infektionskrankheiten eingeliefert werden, auf Ersatzdrogen. Das Krankenhaus Links der Weser substituiert nur die, die sowieso schon im Methadonprogramm sind. „Die anderen kriegen vor und nach der Operation eine Dosis“, teilt eine Ärztin der inneren Station mit.

„In Bremen gibt es zur Zeit 50 Kassenärzte, die Drogenabhängige subsitutieren“, sagt Hans- Dieter Wessels, der Justitiar der Kassenärztlichen Vereinigung. Da „Therapiefreiheit“ herrsche, „kann man keinen Arzt zwingen, das zu machen“. Die Krankenkassen haben rigide Richtlinien, wann Drogenabhängige substituiert werden können. Jeder Arzt darf maximal 10 substituierte Junkies behandeln. In Bremen sind zur Zeit etwa 400 PatientInnen substuiert, schätzt Hans-Dieter Wessels, die Kapazitäten der Ärzte seien erschöpft.

„Nach den Richtlinien der Krankenkassen reicht es nicht, HIV-positiv zu sein, um substituiert zu werden“, sagt Birgit Stien vom Verein Kommunale Drogenhilfe, „die Krankheit muß bereits ausgebrochen sein“. Doch eine chronische Gelbsucht könne fast jedem Junkie attestiert werden. „Die Ärzte-Willkür ist bei der Polamidon-Vergabe immer noch ganz problematisch“, findet sie. Die Substitution lasse sich nicht an feste Regeln binden. „Was fehlt, ist die Individualität“. Eine Neuauflage des Bremer Polamidon-Programms sei geplant, um Alt-Junkies, „solche Leute, die überall durch die Maschen fallen“, zu substiuieren. Auch ausstiegswilligen drogenabhängigen Prostituierte will der Bremer Senat damit eine Chance geben. Diemut Roether