„Das ist nicht nur eine Männerwelt“

■ 10. Bremer Frauenwoche eröffnet: Rassismus bekämpfen, Einmischung in die Politik gefordert

„Am Ende werden offene Fragen bleiben, daran müssen wir uns gewöhnen“, meinte Diskussionsleiterin Sabine Klein-Schonnefeld zu Beginn der Plenumsdiskussion der zehnten Bremer Frauenwoche. „Alles ist bereits gesagt“, sagte wenig später Mira Renka, in Berlin lebende Jugoslawin — jetzt Kroatin. Ein Urteil, das auch auf den einleitenden Satz der Moderatorin auf dem Podium zutrifft.

20 Jahre Frauenbewegung im Rückblick, 10 Jahre Frauenwoche in Bremen: Höchste Zeit, Bilanz zu ziehen. Um Rückschritte, Fortschritte und Wechselschritte in der Frauenbewegung sollte es in der Eingangsdiskussion gehen. Ein uferloses Thema, das das multinational besetzte Podium gleich zu Anfang auf eine persönlichere Frage beschränkte: Was haben 20 Jahre Frauenbewegung Dir gebracht?

Bewegung zum Aufwärmen verordnete Podiumsteilnehmerin Marianne Tjarks den Zuhörerinnen: Fortschritte, Rückschritte und Wechselschritte sollten die Frauen sinnlich erleben. Erst nach beendeter Turnstunde wurde die Diskussion konkreter.

Nach Rostock gab es auf dem Podium und im Saal nur noch ein Thema: Die Überfälle auf AusländerInnen. „Die Diskussion kann nicht heißer werden als die Realität, die wir erleben“, kündigte Mira Renka zu Beginn an und forderte die Frauen auf, sich einzumischen: „Alles geht uns was an, Krieg, Nationalismus, der Staat, das ist nicht nur eine Männerwelt.“

Der deutschen Frauenbewegung warf sie ihre Institutionalisierung vor. Wenn es um die Frage gehe, ob die Bewegung rassistisch sei, würden Ausschüsse gebildet, und Resolutionen verfaßt. „Wir müssen Formen der Diskussion entwickeln, die diesem sensiblen Thema angemessen sind“, zitierte sie aus einem Sitzungsprotokoll. Doch eine Quotierung für nichtdeutsche Frauen in Frauenprojekten werde abgelehnt.

Die Diskussion wurde weder heiß noch hitzig, eher ratlos. „Ich habe Angst“, sagt eine weiße Frau: Angst vor Skinheads und vor Polizeikesseln. „Diese Angst kann ich nicht ernstnehmen“, entgegnet ihr eine andere.

Der Vorwurf, die deutsche Frauenbewegung sei rassistisch, ist nicht neu, trifft sie aber an einem wunden Punkt: „Auf einmal sieht sich die weiße Feministin Seite an Seite mit den Männern, integriert in eine Dominanzkultur“, meint eine Diskussionsteilnehmerin: „Sie hat Teil am Lebensstandard und an Rechten, die andere Frauen nicht haben.“ In der Rassismusfrage seien Frauen nicht mehr nur Opfer, sie trügen auch Verantwortung, ergänzt Diskussionsleiterin Klein-Schonnefeld. Denn Solidarisierung bedeute, von seinem Reichtum etwas abzugeben. Verantwortung dürfe aber nicht mit Schuld verwechselt werden, warnte sie, denn der Schuldbegriff lähme jede Handlung.

„Wir leben nicht in einem faschistischen Staat, aber wir lassen uns jetzt schon einschüchtern“, kritisierte die Afro-Deutsche Katharina Oguntoye, und auch die Berlinerin Sancita Basu zeigte sich enttäuscht: „Es gibt so viele Sachen, über die wir hier diskutieren könnten, und die Diskussion bleibt überall bei der Frage nach der Schuld stehen.“

Die Stimmen, Frauen könnten nicht immer nur „autonom“ bleiben und sich vornehm aus politischen Debatten –raushalten, mehren sich. Eine Zuhörerin: „Wir sind uns zu fein, in der Politik Bündnispartner zu suchen“. Die Ausländergesetzdebatte hätten die Frauen bereits verschlafen, nun sollten sie sich in die Verfassungsdebatte einmischen. Mira Renka forderte: „Wir müssen über unsere Gesellschaftsform nachdenken, und wir müssen das Wort Kapitalismus wieder in den Mund nehmen.“ Diemut Roether