Behörden ließen die Rechten gewähren

■ Die Anzeichen dafür, daß das Schweriner Innenministerium trotz der Gewalteskalation in Rostock keine ausreichende Unterstützung angefordert hat, verdichten sich

Die Einsätze von Polizei und Bundesgrenzschutz in den Krawallnächten von Rostock lassen immer deutlicher erkennen, daß das Schweriner Innenministerium trotz der extremen Gewalteskalation keine ausreichende polizeiliche Unterstützung aus anderen Bundesländern angefordert hat. Bis in die Nacht zum Dienstag, in der die Lichtenhagener Anlaufstelle für AsylbewerberInnen schließlich in Brand gesteckt wurde, ließen sich die Polizeikräfte aus Mecklenburg-Vorpommern nach Angaben des Schweriner Innenministeriums lediglich durch zwei Hundertschaften aus Hamburg und Kiel sowie zwei Bundesgrenzschutz- Hundertschaften mit zwei Wasserwerfern unterstützen.

Erst im Verlauf des Dienstags forderte der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns bei weiteren Bundesländern Hilfe an: Es kamen Einheiten aus Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Berlin und wiederum der Bundesgrenzschutz. Diese hatten dann nur noch das ausgebrannte Hochhaus und die Autos der Anwohner sowie sich selbst vor dem Mob zu schützen. Die Stärke dieser Einheiten wollte der Sprecher des Schweriner Innenministerium gestern nicht nennen, um, wie er sagte, dem Schweriner Untersuchungsausschuß nicht vorzugreifen.

Klar ist aber, daß beispielsweise aus Düsseldorf lediglich ein 60 Mann starkes Sondereinsatzkommando (SEK) nach Rostock geflogen wurde. Alle weiteren Anforderungen der Mecklenburger, so ein Sprecher des Düsseldorfer Innenministeriums, bezogen sich dann bereits auf die Samstags-Demonstration. Zu deren Kontrolle bestellten die Schweriner allein in Düsseldorf 500 Beamte, darunter ein SEK-Kommando, und bekamen sie auch.

Zum letzten Wochenende forderte das Schweriner Innenministerium dann zusätzliche Sondereinsatzkommandos und Bereitschaftspolizei aus Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Hamburg an. Die bereits anwesenden Einheiten aus den übrigen Bundesländern wurden ausgetauscht und verstärkt. Zuvor hatte man sich bei allen Bundesländern erkundigt, wieviel Verstärkung sie liefern könnten. Die Brandenburger beispielsweise konnten wegen der Attacken gegen Ausländerwohnheime im eigenen Land keine Verstärkung an die Küste schicken.

Doppelt so viele Kräfte bei der Demo danach

Aus Hamburg orderte das Schweriner Innenministerium zum letzten Wochenende auch eine Führungsgruppe, die die offensichtlich überforderte Einsatzleitung vor Ort unterstützte. Insgesamt waren mit 3.200 Beamten mehr als doppelt so viele wie in den Krawallnächten im Einsatz. Der Eifer, mit dem die West-Polizei sich die Demonstrierwilligen vornahm und den Beginn der Demonstration um Stunden verzögerte, weckte denn ja auch Erinnerungen an ähnliche Kontrollwut vor den großen Brokdorf- oder Wackersdorf-Demonstrationen. In den Krawallnächten hatte die Einsatzleitung demgegenüber nicht eben effektiv funktioniert. In der Nacht zum Montag waren zwei Hundertschaften aus Kiel und Hamburg, so ein Sprecher des schleswig-holsteinischen Innenministeriums, gleich bei ihrer Ankunft mit Steinen, Molotowcocktails und anderen Wurfgeschossen beworfen worden. 30 Beamte allein aus Schleswig-Holstein wurden dabei verletzt, drei davon schwer.

Die Kommunikation mit der mecklenburgischen Polizeiführung hatte nach Angaben des Kieler Innenministeriums zunächst überhaupt nicht geklappt, die Auswärtigen waren auf sich gestellt. Auch die Hamburger kehrten mit über 30 Verletzten nach Hause zurück. Mit der Bewertung des Einsatzes in Rostock sei man noch beschäftigt, war gestern im Kieler Innenministerium zu erfahren. Die Einschätzung werde man aber nicht öffentlich machen, sondern man werde „mögliche Kritik“ direkt an die mecklenburg-vorpommersche Polizeiführung richten und mit ihr nachträgliche Lageeinschätzung vornehmen.

In der Sitzung des Innenausschusses am Montag hatte der Schweriner Innenminister Lothar Kupfer (CDU), der seiner Polizei bisher immer bescheinigt hatte, „Vorbildliches geleistet zu haben“, immerhin eingeräumt, das Lichtenhagener Heim sei in der Nacht zum Dienstag eineinhalb Stunden lang nicht geschützt gewesen. Bettina Markmeyer